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Titel
September Heu
Der Text
Woher nimmst du die Kraft für den Dampf
der den abgemähten Wiesen entströmt
warum legst du dich mit dem Frühling an
den du doch nie kennen lerntest
was gibt dir den Mut, ihm nach zu eifern
bei deiner Zukunft?

Warum ist in deiner Septemberluft
soviel Hoffnung anstatt Abschied
wem hast du in die Karten geschaut
um einen Trumpf auf den Tisch zu legen
aus deinem geschwächten Blatt?

Wem willst du gefallen
mit deiner unverhofften Lieblichkeit
ergebe er sich endlich
stehe er zu sich und lasse es sein
wie ein Frühling zu tun
sei er Herbst

Die Grillen in der warmen Nacht stehen dir nicht
singen Lieder zur falschen Zeit
der Himmel ist dir eine Nummer zu groß
in den Auslagen lebkucht es
lichtergekettetes Weihnachten
an noch treibenden Tannen

Oder ist alles eine Verwechslung
hat man dich entgegen des Drehbuchs
auf die Bühne geschickt
um einen nasskalten Sommer
zu entschuldigen
etwas gut zu tun?

Woher nimmst du das alles
lässt zu früh grüne Blätter von den Bäumen
zu Boden sinken
kaum angewelkt, verlieren sie den Halt
und kennen weder dich noch den Winter
kennen nicht den Tod

Im Wald traut sich keiner was zu sagen
man weiß nichts
und die, die es wissen, sagen es nicht
warten auf ehrliche Nächte
mit solidem Frost
auf einen Grund zum Abschied nehmen

Wer will schon gehen bei Grillenkonzerten in der süßen Nacht
und wer kann sich entziehen
um nicht im September an Frühling zu denken
wenn er ihn auf der Haut spürt
in der Nase, und in der sommersatten Seele
die keine Jahreszeiten mehr festzuschreiben mag
aus Angst dann alles zu verlieren?
Typ
Gedicht
Autor
Burkhard Jysch
Buck Jysch
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