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Titel
Kannibalenschmaus
Der Text
Man nehme einen großen Topf
ein Reisigbündel wie ein Zopf
und stelle ihn, ganz unbedrängt
so hin, am besten aufgehängt

Das Dreibein, das den Bügel hält
muss stark sein, dass es niemals fällt
denn so beim Kannibalenfraß
gilt Vorsicht als auch Augenmaß

Wie schwer die Mahlzeit, liegt daran
was Topf und Magen tragen kann
daher sei schon bei jedem Braten
Rezeptpflicht dringend angeraten

Die Frage ob gekocht, garniert
ob gar gegrillt oder paniert
ob im Sud die Petersilie
oder verziert mit einer Lilie

Es kommt, wie allerseits bekannt
aufs Fleisch an, und aus welchem Land
Amerikaner sind zu fett
Franzosen liegen lang im Bett

Der Deutsche ziert sich meist beim Schlachten
der Holländer schmeckt arg nach Grachten
so nehme man, was aufgeschrieben
im Rezeptbuch Seite 7

Ist dies auch nicht von Belieben
begebe man sich nur nach drüben
denn auf der andern Seit´ der Insel
hält sich der Feind so manch Gesindel

Geraubt und frisch schmeckt es am besten
gelabt sei sich an knusprig Resten
die jener Topf aus Eisen speit
wozu der Magen freudig schreit

Ach, nebenbei sei noch erwähnt
dass jene Kraft den Esser schönt
der sie vom Weibe einverleibt
zerkaut bis nichts mehr übrig bleibt

Gewarnt sei aber vor der Zicke
sie schmeckt nicht gut, wirft böse Blicke
bevor sie ganz im Sud versinkt
den man vergießt, hernach nicht trinkt

Als Nachtisch schmecken nackte Schnecken
getaucht in heiße Eisenbecken
wobei die Hörner sind die Besten
die zartesten von allen Resten

Als Kannibale freut man sich
auf jeden Touri sicherlich
der arm gereist oder betucht
Economy, First Class gebucht

Die schönsten Tage dort verbringt
wo man ins heiße Leben springt
und jeder Kannibale schwärmt
wird es am Tag drauf aufgewärmt.
Typ
Gedicht
Autor
Burkhard Jysch