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Titel
Die letzten Meter
Der Text
Nach einer Erzählung

Der Bus hielt nicht direkt vor dem Hotel, und ließ mich einige hundert Meter vorher aussteigen. Ich sah ihm noch etwas nach, wie er um eine Biegung verschwand, und machte mich mit der Freude auf eine kräftige Dusche auf die letzten Meter. Kaum hatte ich mich in Bewegung gesetzt, knackte es im nahen Unterholz vor mir, und ein Braunbär Junges trollte sich auf die Straße. In solchen Momenten gehen einem tausend Dinge durch den Kopf. Sollte ich meinen Weg fortsetzen, oder mich vom Hotel entfernen, Abstand zur Szene nehmen? Vor dem Hotel, wo sonst immer Betrieb war, ließ sich ausgerechnet jetzt niemand blicken.

Wo ein kleiner Bär ist, ist ein großer nie weit....Ich blieb stehen und wartete ab. Irgendwie war ich mir ziemlich sicher, dass die Alte mich längst auf dem Schirm hatte. Bären sollen ja eine sehr feine Nase haben. In meinem Rucksack hatte ich noch Obst und nicht aufgefuttertes Brot mit Marmelade bestrichen. Der kleine Bär wirkte etwas unschlüssig und knurrte vor sich hin. Jeden Moment erwartete ich das Brechen im Unterholz, die Erscheinung eines riesigen Fleischberges, der sich mir zuwenden würde, um den Rucksack zu untersuchen....

Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Irgend etwas musste ich tun. Etwas sehr Sinnvolles. Ich trennte mich vom Rucksack, den ich an den Straßenrand stellte, nahm ein paar Wertsachen heraus, und ließ den Bären nicht aus den Augen. Schließlich verschwand er in die gegenüber liegenden Sträucher, was das Nachkommen der Mutter bedeuten konnte, oder er war von dort gekommen, um wieder bei ihr zu sein....? dieses Nichtwissen machte mich sehr nervös. Ich setzte mich vorsichtig in Bewegung Richtung Hoteleingang, und erreichte ihn auch nach wenigen Minuten. Hinter mir passierte nichts auffälliges. Jetzt erst merkte ich, dass mein T-Shirt klatschnass geworden war vom Schweiß.

Ich werde dieses Erlebnis in Kanada mein Lebtag nicht vergessen.
Typ
Kurzgeschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Ja