Der Text
Der Barkeeper kannte sie seit dem Tag, als sie den dunkelbunten Raum betrat mit der verbrauchten Luft, den erfundenen Geschichten und falschen Wimpern. Sie kam spät, wie alle ihrer Art. Ihr Kleid, oder wie immer man es nennen mochte, hatte gewisse Ähnlichkeit mit dem, was einmal als Kleid definiert wurde. Es waren eher verlorene Fransen, die sich um ihre Schenkel wieder fanden, um sich später zu verlieren. In ihrem hübschen Gesicht war etwas das, der Haut einer ungeschälten Zwiebel gleich, leicht bräunlich getönt war. Ihre Augen Türkis, mit einem guten Anteil Grün suchten ihre Umgebung ab, was ihr den Namen "Katze" einbrachte. Sie redete nicht viel, hörte zu, wenn man ihr das Ohr voll sabberte, in dessen inneren Windungen sogar ab und zu das Wort Liebe kleben blieb.
Wer zu dieser Zeit an diesem Ort auftauchte, der stand nicht morgens um fünf Uhr auf, um zur Arbeit zu gehen, er kam eher um diese Zeit nach Haus. Ihr Lieblingsgetränk variierte je nach ihrer Einschätzung, ob ihr Gesprächspartner auf die entsprechende Frage wohl nicken würde. Die meisten taten es, und wenn nicht, gab es ja noch andere…
Um aus ihrem Leben zu plaudern, würden die vorgegebenen Zeilen kaum reichen, die einem das Leben setzt als Limit. Das Wahrnehmbare wird das sein, mit dem man sich begnügen muss. Dabei darf die Fantasie, ähnlich der Fransen ihres Kleides durchaus Weite suchen.
Manchmal verdiente sie in einer Nacht mehr als ein Vorstandsvorsitzender der Industrie. Der Aufwand einem männlichen Wesen, dessen skurrile Träume auch nur für einen Moment zu erfüllen, war gar nicht groß. Ein wenig Rouge, ein Lächeln, ein Blick zu lang, um sich nicht getäuscht zu haben, ein Drink, vielleicht auch zwei, ein Schlüssel, und an den Ober ein gehauchtes "Bis gleich". Alles passte in die Welt des dunkelbunten Raumes. Und waren ein paar Lämpchen aufgebraucht, war´s gar nicht schlimm, sie wurden ausgetauscht. Wie Lisa.
Irgendwann kam sie nicht mehr. Und trösten wir uns mit der Lüge, dass sie den Wahren, und Richtigen gefunden hatte - grad hier.
Die Katze kannte man. Wenn sie sich offenbarte, dann redeten sie nicht über Männer. Das wäre, als wenn das Meer über Salz spräche. Es ging ums Abhauen, um den Ort zu verlassen, der das Ohr zulaufen ließ, sie zu sabberte, während die Uhr lief.
Ein wenig Engagement im Soll, so eine Spur von Liebe, diesem verbrauchten und geschändeten großen Begriff…. Woher nach all der Zeit sollte so was kommen? War nicht das Meer längst ohne Salz? Ausgefischt bis auf den schmutzigen Grund, und nur noch im Netz, was nicht mehr ist und einmal war…?
"Einmal sagte sie, möchte ich nur den Kopf an eine Schulter legen, und nicht an eine Schuld, möchte ich wahr-genommen werden, nicht genommen, und Scheiß auf die Scheine!
Es tötet, wo es schon tot. Ich bin nicht mehr. Fragst du mich, wie viel Leben noch in mir ist, antworte ich: soviel wie in einem Schein. Halt ihn gegen das Licht, meine Liebe, du wirst in ihm die Schatten sehen, die ihn täuschungssicher machen sollen. Der Wert ist aufgedruckt, verstehst du? Er kommt nicht von Innen."
Während sie sprachen, zählte die Katze ihre Scheine. Eher beiläufig, um der Konversation zu folgen. Das mit den Scheinen gefiel ihr selbst, weil es stimmte, weil der Schein stimmte. So wie das Licht im dunkelbunten Raum, aus dem es kein Verlassen gab, es sei denn, man war noch jemand, in dem das Leben ausharrte....