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Titel
Die Bratkartoffel
Der Text
Wenn ich manchmal welche bestelle, bin ich reihenweise entsetzt mit welcher Lieblosigkeit ihr Ende wohl gewesen sein muss bei der Zubereitung. Als wäre der ganze Koch mit der geschälten Kartoffel in die Pfanne gerutscht, etwas Speck dazu und Zwiebeln, und fertig. Igitt! Richtig gute bekam ich direkt an der Küste. Aus einer gusseisernen Pfanne, in dieser vor mich hin gestellt, mit dem Hinweis auf den glühend heißen Stiel. Aus der Tiefe des Bodens lauschte ich den letzten Worten der Kartoffel, die mich anzischte, als hätte ich ihr Leid angetan. Der gestreifte Speck kam von der guten alten Landsau und entwickelte Röstaromen, die weit über meinen Tisch in den Mündern der Betroffenen wahre Speichelflüsse erzeugten. Ich atmete tief durch und griff zur Gabel. Später erfuhr ich, dass sie Anabell hieß. Nicht die Bedienung, die Kartoffel. Von der Sau war nichts näheres zu erfahren. Man muss auch nicht alles wissen. Wer will schon erfahren, ob zum Beispiel das Hühnerei in seiner Haltung jemals Gottes Erdboden betrat oder sich im Gestänge einer Legebatterie festzukrallen hatte?

Eine Spreewaldgurke deckte die grüne Farbskala auf dem Teller ab. Werde mich mal mit dieser Region näher beschäftigen, da ich Gurken aus dem Wald bisher nicht kannte. Bei uns wuchsen sie auf dem Feld. Als Fleischbeilage durfte es ein Schweinebäckchen sein, in leicht bräunlicher Sauce, einem Traum von Geschmack. Dazu bestellte ich mir ein König Ludwig Hefeweizen dunkel, um das Ganze herunter zu spülen, was eigentlich viel zu schade war.

Als ich einen TV Beitrag über einen Trüffelexperten in Frankreich verfolgte, dem sämtliche hochwertigen Trüffel zur Expertise vorgelegt wurden, (seine Nase war so groß, dass sie vom All aus zu sehen war), staunte ich nicht schlecht bei der Schlussfrage des Filmteams:

"Wenn die Saison vorbei ist, gönnen sie sich denn auch eine kleine Portion dieser Delikatesse?"
"Oh, natürlich; meine Frau macht mir Bratkartoffeln in der gusseiseren Pfanne mit einem Spiegelei, und oben auf raspelt sie mir hauchdünn etwas von einem weißen Trüffel." Seine Nasenflügel hoben und senkten sich kurz vom Abheben. Und meine schnuppern nach dem feuchten Sack im Keller, in dem ich noch ein paar Anabell gefangen halte.
Typ
lustig
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Nein