Der Text
Die See hat etwas, das dem Land fehlt. Nicht nur, dass das Wetter wenige Kilometer über dem Meer hellen Sonnenschein zeigt, während über Land dicke Wolken ziehen, es ist der Wunsch in mir, sie ab und an wiedersehen zu müssen. Ein gewisser Drang, ein Hundebetteln in mir drin, um mit der Weite für einen Moment versöhnt zu werden. Solch Weite spürte ich über Land nur einmal in Namibia, wo der Sand sich wie Wellen bis zum Horizont ausbreitete, und wie Wellen in Bewegung war. Dort am Strand brannte der Rücken in der unbarmherzigen Sonne der Namib, während mir von vorn der eiskalte Wind über dem Benguela Strom aus der Antarktis entgegenschlug. Ich mag diese Orte der Gegensätze, muss ja nicht auf dem Gipfel eines Dreitausenders sein, da ja die Höhe einer Fußbank bei mir schon Schwindelanfälle hervorruft.
Wie sehr wir alle hier von Häusern, von rastlosem Leben umgeben sind merkt man, wenn man wieder zurück ist aus den Wellentälern. Auf hoher See fehlt die Orientierung, der Fixpunkt, an dem sich der Tag, die Woche, das Jahr festmachen lässt. Das macht den Unterschied. Dem, der in seinem Dorf, seiner Heimatstadt nichts antreibt, wird nichts fehlen. Im Bremerhavener Klimahaus hat man versucht solche Orte des Gegensatzes nah beieinander spürbar zu machen. In einer Kälteatmosphäre mit hohen Eiswänden auf deutliche Minusgrade herunter gefahren, legt man soeben noch die Hände ans Eis, kommt heraus und ist in einer subtropischen Welt mit hoher Luftfeuchtigkeit und Hawaii Gefühl. In einem riesigen Raum liegt der Gast auf dem Rücken in großen Kissen, und schaut sich einen Film über einen afrikanischen Marktplatz an, auf dem während der Mittagszeit alles in Zeitlupe abläuft. Alles, was in diesem Raum installiert wurde, ist eine ebene Sandfläche mit einem verdorrten Baum in der Mitte.
Aber es gibt andere Unterschiede. Der soziale Unterschied am Morgen gegenüber unserer Mietwohnung in Kapstadt. Der Besitzer eines stolzen Anwesens packt seine Ausrüstung in den Wagen, um ein paar Schläge auf dem Grün zu tätigen. Kurz nach seiner Abfahrt bemerke ich einen schwarzen Arbeiter, der wohl beobachtet haben muss, wie der Herr noch etwas in die große Mülltonne geworfen hat. Etwas von Gestern. Er verschwindet fast ganz darin, und kommt mit scheinbar etwas Essbarem wieder heraus. Es war der Moment des Fröstelns wie damals in der Namib. Wie schmal der Grat doch sein kann, wie kalt in der flimmernden Luft des Tages....