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Titel
Der Fensterplatz
Der Text
Im Reisekatalog stand sie, die Bahnfahrt mit der Dampflok an der Hibiskus Coast Südafrikas. Von einem kleinen Bahnhof, der vor sich hin schlummerte, begann sie. Unsere vierköpfige Familie suchte sich die Plätze auf den schmalen Holzbänken, und blickte sich um. Im Stil vergangener Zeiten hatte man diesen rauchenden Saurier über die Jahre am Leben erhalten und das, obwohl hier alles schnell dem Rost verfiel durch den salzigen Wind, der vom Meer kam und über die wild wuchernde Vegetation strich. Ich ergatterte direkt am Fenster den Platz, von dem aus mir Afrika zum Berühren nah war. Mit einem krächzenden Pfeifton zwischen den weißen und schwarzen Tasten eines Klaviers ging es mit einem Ruck los. Wenige Mitreisende, wir hatten das Abteil fast ganz für uns. Auf den zustand der Schienen zu schließen dürften sie sich wie gekochte Spaghettie durch die Uferlandschaft winden, die aus dichtem Busch bestand und unglaublich farbenfrohen Blüten bestand, die sich zwischen Dornen und Lianen ihren Platz erkämpften.

Irgendwann tauchte das Wasser zwischen Buschlücken auf, in den Senken sanfter Hügel, die zur Landseite anstiegen und bald in höheres Bergland führen sollten. Durchs geöffnete Fenster trieb ab und an etwas mit dem Rauch aus der Feuerquelle ins Abteil, brannte in den Augen und auf der Haut, und erinnerte an den Reisekomfort heimischer Beförderungsmittel. Mitten auf einem kleinen Marktplatz der erste Halt. Ausgebreitete bunte Decken, auf denen selbst gefertigte Dinge lagen, die Reisende doch bitte anschauen mögen, Buntes aus der Gegend hinter denen große schwarze Augen sich mit unseren kreuzten. Fragend um Zustimmung bittend und womöglich gegen ein paar Rand zu kaufen wären. Um das Ganze stoben Kinder, Kinder, Kinder. Alle in einer Fröhlichkeit als ob es ein besonderes Ereignis wäre Weißen so nah zu sein, um deren blondes Haar zu berühren das aus dem Fenster hing. Ihr Hello klang so laut wie Helau im Karneval, und fast war die Stimmung ähnlich.

Nach dem Wiederanfahren liefen sie noch eine Zeitlang neben den Waggons her und kreischten ihre Freude heraus. Am Zielort verbrachten wir eine Zeit in der Nähe einer Trommelwerkstatt. Große wie kleine Klangkörper waren mit Tierfellen bespannt und erzeugtem mit Trommelschlägern the sound of Africa, der manchmal durch die Täler die begrünten Hänge hoch kroch, um dann doch den Himmel zu erreichen, von denen in Armut und Einfachheit so viele träumten, und schließlich auf das Ende der Apartheid warteten, das noch etwas auf sich warten sollte, bis es Wirklichkeit wurde.
Typ
Kurzgeschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Nein