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Titel
Der Fahrstuhl
Der Text
Krankenhäuser werden im allgemeinen nicht zu den Orten gezählt, die man gern besucht. Weder als Besucher, noch als Patient. Meist gehen die Gedanken an Narkose, Kontrollverlust, Schmerzen, weniger an hübsche Helferinnen, die sich um einen kümmern, und trotz reichlich Arbeit noch ein Lächeln zustande bringen irgendwie.

Ich war auf Besuch eines Bekannten, der eine Operation bereits überstanden hatte und mich halb liegend begrüßte. Wir waren voller Energie, als wir uns gemeinsame Geschichten erzählten, die alle mit weißt du noch begannen. Bald verabschiedete ich mich von ihm mit guten Wünschen und wartete auf den Fahrstuhl. Er kam laut Anzeige von unten und brauchte eine Weile bis zum zehnten Stock. Er war leer. In seinem geräumigen, hell erleuchteten Innern wirkte er wie alles auf den Stationen steril, und trug zu meinem Unbehagen bei. Die Ziffern auf der Stockwerkanzeige hatten noch zwei unterhalb der Ankunft Ebene, wie ich bemerkte.

Schließlich schloss sich fast lautlos die Tür, und kaum dass ich es merkte, setzte er sich in Bewegung. Im Stockwerk 8 eine Reduzierung der Geschwindigkeit. Die Tür öffnete sich, und ich trat an die rückwärtige Wand zurück, um eine Schwester herein zu lassen, die ein Krankenbett vor sich her schob. Eine Person lag darin, die mit einem weißen Laken bedeckt war. Ich konnte die Umrisse sehen, und als sich die Tür schloss fiel mir erst auf, dass das weiße Laken auch über den Kopf gezogen war...

Mein schlechtes Gefühl Krankenhäusern gegenüber steigerte sich von Stockwerk zu Stockwerk. Wir sprachen kein Wort, und hielten nur noch ein Mal, wo aber niemand zusteigen wollte und auch nicht konnte. Beim Verlassen sah ich seitwärts den erleuchteten untersten Knopf der Anzeige. Die kurze Reise ging also für einen der Beiden weiter.
Typ
Geschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Nein