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Titel
Der Deutsche Garten und seine Pendants
Der Text
In einer Gartenausstellung im Norden Englands erblickte ich, halb erstaunt und halb belustigt ein Areal, das verschiedene typische Gärten im Kleinformat zeigte. Bewundert werden konnte in jenem Garten ein Beispiel aus der Jahrhundertwende, mit strengen Formen und zeittypischen Pflanzen. An ihnen sauber geschrieben die Namen auf Englisch und Latein. Ich hatte mich soeben vom Farb- und Formenschock erholt, der regelmäßig ausgelöst wurde, wenn ich durch einen Garten wie zum Beispiel Sissinghurst Castle Garden ging. Meist ein riesiges Stück ausgesucht baumbepflanzter Rasen Fläche, die von hohen Mauern begrenzt wurde, an der im Überfluss Kletterrosen nach oben strebten, während an ihren Füßen eine ordentliche Packung Stallmist mit dem betörenden Duft mancher Rosen Sorten konkurrierte. Davor zumeist Staudenbeete, in die man mit den Augen eintauchte, um in einer anderen Welt wieder aufzutauchen. Ganz im Innern des Geländes wohnte ein Earl oder ein Landlord in seinem Castle, währen der Gärtner mit Schaufel auf Maulwurf und Hase ansetzte. In eines wagte ich mich hinein. In einer Ecke ein eingeschrumpftes Mütterchen mit Lesebrille und Stopfgarn.

"I have a question, can you tell me the age of that tree at the entrance?" Ein Baumskelett an der sich Clematis montana rubens die Ehre gab.

Sie nahm die Brille ab und sprach in meine Richtung die Worte:

"Well, that tree died between February and March 1734...."

Noch bevor sie ansetzte, mir die ganze Geschichte des Gartens klar zu machen, bedankte ich mich artig und schritt wieder ins Licht.

Und dann kam ich an die Stelle, die darauf hinwies, dass es sich ab jetzt um Internationale Gärten handelte, um einen bescheidenen Vergleich sichtbar zu machen, was unschwer zu erkennen war, und wie eine Warnung klang! "Achtung, Sie verlassen jetzt den kultivierten Teil des Gartens, gehen Sie langsam vor, und wenden Sie ihre Augen zu Boden, wenn Sie sich unwohl fühlen...." Vor dem französischen Renaissance Garten verweilte ich ein paar Minuten und stellte mir einen der Herrscher im Hermelinmantel vor einem Thymian vor.. (Für die Nicht Gartenkenner: Thymian ist eine Gewürzpflanze, kein Untergebener).

Natürlich kam der Paukenschlag am Ende der Strecke. Der Deutsche Garten der 60er Jahre! Meine Augen erschauerten vor einer sauber ausgelegten Fläche mit Waschbetonplatten, unter denen sich verkrüppelte Cotoneaster mühten, um etwas Tageslicht zu ergattern. Beides hatte durchaus seine Vorteile. Der Cotoneaster brauchte kaum gepflegt zu werden, die Waschbetonplatten hielten das unerwünschte Grün fern und ersetzten es durch Plattenbaugrau.

Wieder daheim machte ich gezielt eine Exkursion durch die Nachbarschaft, und sah mir die hiesigen Vorgärten an. Es gab sone und solche....welche, über die man sich freuen konnte und meinen. Während ich fünf Jahre am Innenausbau meines Hauses werkelte, blieb der Garten tatsächlich so, wie ihn der Verkäufer, Opa Reinders, an einem trüben Februartag verließ. Eigentlich konnte ich froh sein, nicht als Beispiel erwählt worden zu sein für einen aktuellen Garten im ausgehenden 20sten Jahrhundert.

Jetzt, wo sich die Engländer auf die Abdrift vom Kontinent vorbereiten, jetzt möchte ich ihnen zurufen:

"Ihr könnt ja ruhig gehen, aber lasst etwas von euren Rabatten hier, und Mauern, und Rasenflächen mit den ausgesucht typischen Eichen, und etwas Regen. Das wäre das mindeste!
Typ
Geschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Ja