Text 155/622

Titel
Der Jammerlappen
Der Text
Sechs Tage hing er schlaff am Haken. Bis ihn eine missmutige Hand ergriff, mit einem Fluch auf den Lippen in einen Eimer kaltes Wasser schmiss, das nach Toilettenreiniger roch und sich mit ihm, der sich langsam volllaufen ließ, auf den Weg machte. Jetzt hatte er wieder dieses Gefühl ausgenutzt zu werden und beschmutzt, fühlte sich als Werkzeug für einen Zweck, der offensichtlich nicht dauerhaft erfüllt wurde, sonst käme die Hand nicht jede Woche wieder und würgte ihn nach unaussprechlichen Misshandlungen, die dem Würgen voraus gingen.

Seine feinen Streifen hatte er längst verloren. Die ätzenden Flüssigkeiten, dem Wasser zugegeben, sie machten aus ihm das, was er war und wie er aussah. Einfach beschissen. Das Fensterleder, dieses Weichei, durfte sich glatt anfühlen, auf Glas das bisschen Dreck der übrig blieb aufnehmen, und hörte sogar ab und an ein Lied aus den roten Lippen wenn die Sonne schien. Für ihn blieb das Klo, wo sie sich hinsetzten nachdem sie die Türe fest verschlossen hatten. Wenn sie sich überhaupt hinsetzten.

So mancher machte es im Stehen nach Gehör, und er war es, der Jammerlappen, welcher von großem Gezeter der Hausfrau unterstützt zum Klagelied anhob mit dem sarkastischen Titel:

So ein Tag, so wunderschön wie heute

Er hatte sich sein Leben anders vorgestellt als hinter Kakerlaken hergewischt zu werden, oder verdächtige Flecke näher kennen zu lernen. Und das, was ins Wasser kam, um Bakterien abzutöten, roch ebenso ätzend wie die stille Heimat von Strulli und Pullemaus.

Einmal hörte er von jenen, denen es noch schlechter erging. Sie arbeiteten nicht in einem Privathaushalt, sondern hinterm Bayernzelt im Dixyrhythmus. Da wurden sie dann bei Blasmusik nach jedem Gelage in ein wahres Inferno gestürzt. Es gab immer noch Steigerungen nach Unten, wo es das Licht nicht mehr gab.
Typ
Geschichte
Autor
Burkhard Jysch