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Titel
Das Biest
Der Text
Die Vorderzähne waren wie zwei Säbel nach hinten gebogen, wie alle Zähne dahinter, die nicht das Ausmaß hatten wie die zwei Vorderen. Nadelspitz waren sie, und sie kannten nur einen Weg, wenn man mit ihnen Bekanntschaft machte: Den Weg in die Tiefe des Rachens, der jener Gegend vorgelagert war, in der der eigentliche Verdauungsvorgang stattfand. Hatte sich das Biest für einen Biss entschieden, gab es zwangsläufig kein Zurück, und das Würgen begann.....

Die Art hatte die Jahrtausende überlebt, und in der Größe kaum Feinde. Bis auf den Menschen, der es selbst aß, wenn er nicht von ihm erwischt wurde.

Bevor es aber zur Begegnung mit dem Todfeind Mensch kam, hatte es Wasserschweinen aufgelauert, deren Bewegungsabläufe bei der Flucht nicht die schnellsten waren. Die Schweine und das Biest teilten sich einen Lebensraum oder ein Sterbezimmer, wie man es nimmt. Was sollte ein argloses Schwein auch von der Nasenspitze mit den zwei toten Augen halten, die als einziges Zeichen der Anwesenheit sichtbar waren, während sich der meterlange Körper unter Wasser um Schlingpflanzen wand, die dieselbe Farbe wie dessen Haut trugen?

Als vor wenigen Tagen, so wird aus Indonesien berichtet, ein Plantagenarbeiter mit seinem Moped auf dem Weg von der Arbeit nach Hause war, hielten ihn zwei Passanten an, und zeigten auf das beachtliche Gebilde, das quer über der Straße lag, dem sie sich nicht trauten zu nähern. Mutig soll er sich daran gemacht haben, es mit den beiden anderen aus dem Weg zu schaffen. Die Haut war glatt und warm, weder Kopf noch Ende zu sehen. Gemeinsam würden sie es schon schaffen.....

Obwohl an Riesenschlangen gewöhnt in dieser Gegend, war diese ein außerordentliches Exemplar an Größe. Es spürte die Vibrationen der Menschen auf dem Boden, und nahm ihren Geruch wahr, sowie die tollpatschigen Versuche es zu bewegen. Aus plötzlicher Abwehr heraus schnellte ihr Kopf in Richtung der Quälgeister. Die Zähne verhakten sich im Oberarm des Mopedfahrers, und schon begann es damit, sich um den schlanken Körper zu winden, um ihn zu zerdrücken. Mit äußerster Gewalt schafften es die beiden Passanten und dem Opfer, sich aus der Umklammerung zu befreien. Das einzige, was wohl verloren gehen wird ist sein Arm, der vom Biss zerquetscht wurde, und wohl nicht mehr zu retten sein soll.

Die nahen Dorfbewohner präsentierten sich stolz den Fotografen, und zeigten das Biest in seiner ganzen Größe, nachdem sie es zwischen zwei Bäumen aufgehängt hatten. Es würde eine sehr geschätzte Mahlzeit geben. Was auch kein Wunder ist, denn der Python maß ganze 7,80 Meter!
Typ
Kurzgeschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Ja