Der Text
Wir wechseln die Plätze. Zuerst im Innenraum, dann zieht es uns an einen soeben frei werdenden Platz an der Sonne in Fensternähe, mit Blick auf Hamelns Fußgängerzone. Der kleine Tisch neben uns ist noch frei, und zur Hälfte sonnenbeschienen. Es wird richtig warm am Fenster, und in den Gesichtern der Touristen lese ich die Überschrift über den Frühling: Endlich! Leider ist es dazu eisig kalt, was vielleicht manche ins Cafe´ treibt.
Der Tisch neben uns bleibt nicht lange unbesetzt. Mutter und Tochter, wie sich schnell herausstellen wird, machen es sich gemütlich. Ich ziehe meinen Stuhl etwas vor, mehr geht nicht. Die Mutter, eine Dame jenseits der 70 bedankt sich ausdrücklich für die Höflichkeit. Im Folgenden wird im Wesentlichen die Konversation zwischen den Beiden beschrieben. Mutter mit M, Tochter mit T.
T: "Möchtest du lieber in der Sonne sitzen, oder lieber hier?"
M: "Vielleicht besser im Halbschatten".
T: "Dann stellen wir die Stühle etwas um".
Ich rücke jetzt näher zur Wand, mehr geht nicht. Die Tochter lässt sich endlich in den Stuhl direkt am Fenster plumpsen. Ich sage: "Jetzt kommen Sie da nicht mehr raus!"
T: "Hast du schon eine Idee, was du trinken möchtest?"
M: "Was gibt es denn?"
T: (hält die Karte in den Händen und liest vor) "Tee, Darjeeling, Früchtetees, Earl Grey, Ostfriesentee..."
Die Bedienung erscheint und fragt, ob die Herrschaften schon etwas zum Trinken ausgesucht haben.
M+T: "Wir sind noch dabei!"
M: "Tee ist mir zu heiß!"
T: "Dann lieber etwas Kaltes?"
M: "Was gibt es denn?"
T: " Bier, oder hier, Wein!"
M: "Welche Sorten Wein haben sie denn hier?"
Wenn man mich jetzt genau beobachtet hätte, man hätte meine Kaumuskeln bei der Arbeit gesehen. Ich mahle immer mit den Zähnen, wenn mir etwas auf den Zahn geht.
T: liest alle aufgeführten Rebsorten vor, wird unterbrochen beim Rose´
M: "Wein ist mir zu kalt!"
T: Dann vielleicht einen Rotwein, der ist nicht so kalt. (M macht ein Gesicht, als hätte man ihr eine Scheibe Zitrone gereicht). Ja, habe ich mir schon gedacht, wenn du dich nicht entscheiden kannst, dann bist du erst zufrieden, nicht?"
Ich muss auf die Toilette. Als ich wieder gegen 15 Uhr komme, sitzen beide noch in Position. Tochter mit der Karte in der Hand. Ich frage: "Na, haben Sie sich schon für eine bestimmte Hanglage entschieden?"
T: "Wir sind noch bei der Auswahl!"
Als wir das Cafe´nach besten Osterwünschen Richtung Nachbartisch verlassen, bitten die Damen um Überreichung der Karte für den leckeren Kuchen, der frisch gebacken in der Vitrine lockt.
Ich nehme mir vor, wieder zu kommen im nächsten Jahr. Vielleicht im Halbschatten, nicht so kalt, nicht so warm, mit nicht zu viel Kuchen, und weniger Kalorien, und Tee oder Kaffee. Meine Bewunderung gilt der Tochter, die sich sicher auf jeden Osterausflug freut.