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Titel
Blau-weißes Wunder
Der Text
Deutschland hatte den Krieg verloren. Eine neue Armee musste her, um das jetzt florierende Wirtschaftswunderland gegen alles zu verteidigen, was diesen Prozess aufzuhalten wagte. Seit 23 Jahren etwa wurden neue Uniformen entworfen. Für jede Teileinheit neue Farben, neue Formen, alte Socken und Wollbadehosen. An vieles hatte man gedacht. Doch auch an alles? Die Stahlhelme waren amerikanisch, die Unterwäsche noch nicht von Bruno Banani, und für die Seeleute wurde die Latzhose Blau/Weiß ausgedacht.

Ich selbst bewarb mich zur Luftwaffe, bestand einen Eignungstest, und trug zu gewissen Anlässen sogar Krawatte. Ansonsten schlug ich mich mit den Unebenheiten manch grober Naht, mit glühend heiß werdenden Strickstrümpfen in dicken Stiefeln spätestens bei Kilometer 25 herum, und putzte alles zur Zufriedenheit eines lauten Menschen, der genau hinsah. Beim Appell durfte sich kein Stäubchen zeigen, die Hemden auf Kante, und mein kriegerisches Gesicht sprach die Sprache purer Verteidigung der Freiheit.

Im Februar war Karneval. Die meisten in den Hochburgen verkleideten sich als irgendetwas anderes als das, was sie sonst trugen. Sie tranken zu viel Bier, und brüllten sinnloses Zeug wie auf dem Kasernenhof. Mir fiel partout nichts ein, als was ich mich unauffällig unters bunte Volk mischen könnte. In meiner Not fragte ich einen anwesenden Kameraden, ob ich mir seine Uniform ausleihen könnte. Er war bei der Marine. So verkleidet betrat ich Neuland. Es fühlte sich irgendwie anders an in blau weißem Latz daher zu schreiten, was aber schnell verging. Als mich jemand von der Seite ansprach, ob mir denn nichts einfallen würde als in Uniform zu erscheinen, erklärte ich ihm, dass ich bei der Luftwaffe sei, und den Marinefummel als Verkleidung nutze. Das leuchtete ein. Wir lachten beide etwas darüber.

Richtig ernst wurde es nach den nicht mit gezählten Bieren, und der Notwendigkeit sie wieder los zu werden. Da hatte die Marine anscheinend eine andere Zeittaktung. Nehmen wir mal an, ein Fallschirmjäger müsste mal während des Absprunges mal müssen müssen. Pech in Blau Weiß! Die Latzhose ist so geschneidert, dass man sich Knopf um Knopf nach Unten voran arbeiten muss, bis man das Teil frei gelegt hat, um das es geht. Ich merkte es fast zu spät in der Männerschlange vor dem Klo stehend. Außerdem fand ich den Anblick einer abgeklappten Latzhose von der Seite nicht gerade majestätisch. Welchen Kampfwert hat eine Marine, wenn sie allein für das Öffnen der Hose so lange braucht?

In diesem Moment war ich froh, mich bei der richtigen Truppe gemeldet zu haben, und auch darüber, nicht bei den Fallschirmjägern springen zu müssen. Dafür werden die Matrosen keine längeren Märsche machen, das Klo fährt außenbords mit. Man sollte aber auf Luv und Lee achten!
Typ
lustig
Autor
Burkhard Jysch