Der Text
Ein Lion Camp in Südafrika Nähe Durban. Die Schleuse am Eingang, zufallende Gatter und das, was sich öffnet und uns ins Gehege lässt in dem wir auf sie treffen sollten. Noch sah man keine der Katzen, und ich fuhr im Schritttempo den ausgefahrenen Spuren nach, die alle unsere Vorgänger wohl gefahren sein mussten. Hinter einer der Kurven lag die ganze Bande in der heißen Vormittagssonne verstreut, und einige auf dem Fahrweg. Ich hielt und beobachtete die Löwin, wie sie sich erhob, größer wurde und nun ihre Forschungsarbeit an uns begann. Ihr Kopf füllte jetzt die Autoscheibe neben mir aus. War es Neugier, die die Löwin ganz langsam auf unseren Leihwagen zutraben ließ, wurde sie von den anderen vorgeschickt, die sie beobachteten, oder eine Demonstration wem dieser Raum gehörte, in den wir eingedrungen waren? Mit fest verschlossenen Fenstern und hinter uns ins Schloss gefallenen hohen Toren fühlten wir uns augenblicklich alle in einer Mischung aus Ängstlichkeit und Neugier auf jene Könige der Steppe, die man hier für Touristen eingezäunt hielt.
Ihre erstaunlich großen Augen waren aus hellem Gelb und schienen teilnahmslos, ihr Blick flackerte durch unsere Sitzformation, und deutlich sah ich Reste von verkrustetem Blut an den langen Spürhaaren auf ihrer Schnauze, die ihre Zähne wie ein Vorhang aus Fell und Fleisch zugezogen verbarg. Sie musste sich etwas beugen, um ins Innere zu spähen, während ich an einen Plattfuss dachte und ans Aussteigen. Der Reservereifen war im Kofferraum hinten, ich würde also rechts raus müssen. Ich las in den auseinander stehenden Augen ihre Geschichte aus Leben und Tod, Hunger und Jagd, und dahinter die Verzweiflung eingesperrt zu sein von stahlharten Maschen, während gleich nebenan der Duft einer Herde Gnus vorbeizog. Sie nahmen sich gegenseitig wahr, die Gefangenen und die Freien, und vielleicht wussten die Gnus genau, wie dicht sie an der Frontlinie vorbeiziehen konnten ohne ein Mitglied zu verlieren.
Was machte es mit mir beobachtet zu werden, abgeschätzt, abgeurteilt als nicht interessant, nicht ins Beuteschema passend, es sei denn ein Fenster wäre auch nur halb geöffnet. Sie würde herein langen und mit gezieltem Schlag alles verändern, wie es einer Tierfilmerin von Rang und Namen kurz nach der Landung auf einer ersten Fotosafari passierte. Sie war in einem geschlossenen Landrover unterwegs und voller Tatendrang gute nahe Fotos zu schießen, hatte entgegen den Rat des Rangers deshalb das Fenster halb offen stehen lassen, um die Kamera zu bedienen. Der blitzschnelle Prankenschlag ihres Motivs beendete ihre große Karriere. Daran dachte ich, während durch die Klimaanlage ihr Tiergeruch ins Innere drang, herunter gekühlt und voller wildem Sommer. Dachte an die Zeit ihres Aussterbens, die sich schleichend vollzog, während sich die umherfliegenden Insekten um ihren Schädel zu Tänzen aufgefordert fühlte. Die Luft war wie aus einer Zirkusfeuchte unter einem heißen Zelt zu spüren, dessen Boden mit vertrocknetem Gras Spuren hinterließ. Große Spuren von Tatzen, die nach dem Regen entstanden sein mussten, der hier ordentlich herunter kam, wenn er denn kam.
Ich hatte genug von der Inspektion durch die Scheibe und fuhr langsam wieder an, kurvte um die restliche Familie herum, und vermied es über einen der langen Schwänze zu fahren mit denen sie Fliegen vertrieben. Alle Tiere starrten in unsere Richtung und machten sich Gedanken darüber, was wir vorhaben mochten. Publikumsverkehr war täglich, und doch gab es diese Aufmerksamkeit, vielleicht eine Chance auf Beute? Durch Funkverkehr zwischen dem Eingangspersonal und dem am Ausgang bestand immerhin so etwas wie eine Kontrolle, ob auch alle wieder heraus kamen, die hinein gefahren waren. Wir näherten uns der Doppelschleuse, an der wir schon erwartet wurden von kräftigen Armen, die genau wussten was zu tun war.
Als Abschluss möchte ich vom Kontrollverlust sprechen während des Geschehens. Kontrolle über mich selbst als der, der bestimmt, der größere von allem sein will. Jetzt aber durch die unmittelbare Nähe ging sie über in Ehrfurcht vor dem, was stärker war, beherrschter, und so demonstriert, dass es nicht so ist. Und das mit jenem gelangweilten Blick aus den hellgelben Augen eines bedrohten Afrikas.