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Titel
Banaue
Der Text
Es ist die Bezeichnung eines Weltwunders der Natur im Norden der Philippinen. Die stark bergige Landschaft versprach den ansässigen Bauern so gut wie nichts, als für mehr als ein paar Tage zu überleben, geschweige denn um hier sesshaft werden zu können. Alles was sie an Werkzeug hatten war eine Hacke mit einem Holzstiel, und ihre Kraft daran zu glauben, dass in die zahlreichen Steilhänge Terrassen gehackt werden könnten, um das rasch abfließende Wasser aufzuhalten. Es sollten, so ihre Gedanken, kleine Bassins entstehen, in denen sie Reis anpflanzen könnten. Eine Pflanze, die in Flachwasser auf fruchtbarem schlammigem Untergrund gedeiht.

Irgendeiner dieser Verrückten wird damit angefangen haben sein eigenes Reisfeld dem Hang abzuringen, andere wurden überzeugt. Und so entstanden die berühmten Reisterrassen von Banaue, über denen die Sonne aufgeht, ihnen Lichtschattenspiele schenkt, aber auch Taifune ihren zerstörerischen Weg regelmäßig brechen. Die Menschen, die wir besuchen, sehen mit ihrer gegerbten Haut alle älter aus als sie tatsächlich sind, haben eine für ihre geringe Körpergröße mächtige Kraft, und blinzeln mit neugierigen Augen in unsere, die zurück blinzeln. Es sind wenige Touristen, als wir dort eintreffen. Die Hütten sind wie ein Berg Biwak an die Felswände geklebt, und wer den Blick durch den Bambus Boden nicht scheut, sieht in den Abgrund.

Wir kommen ins Gespräch in Windy´s Restaurant am Dorfende, und staunen über ihr gutes Englisch ebenso wie über ihre schlecht gepflegten Zähne, von denen selbst in jungen Jahren einige bereits fehlen. Einer der Alten berichtet von der japanischen Besetzung im 2ten Weltkrieg, und wie sie nachts mit ihren Macheten in die feindliche Garnison eindrangen, um Köpfe von Hälsen zu trennen. Sie kannten sich hier aus, und verschwanden bald wieder nach den Überfällen. Wir fragen nach seinem Alter, und er nach unserem. Beide liegen wir meilenweit daneben. Es ist ein Hundertjähriger mit dem wir sprechen, und dass er täglich die Tour nach Oben auf den Hausberg zurück legen würde. Dahin, wo wir am Morgen danach aufzubrechen gedenken.

In der feuchtheißen Luft fällt jeder Schritt schwer, obwohl wir nur das nötigste am Leib tragen. Überholt werden wir zweimal. Im Laufschritt aufwärts ein Junge, der eine Kiste Bier auf der Schulter trägt, und dem wir bereitwillig Platz machen, um wieder Luft zu bekommen. "Stay on top, we come later!" rufen wir ihm hinterher. Der zweite Mensch ist ein Messerhändler, dem wir eines seiner rasierscharfen Teile abkaufen, um es nicht später an der Kehle zu spüren. Der Blick hinter jeder Biegung, die wir auf Fuß breiten Wegen betreten, schenkt uns ein grün gelbes Farbspektakel, das von Reispflanzen unterschiedlichster Reife erzeugt wird und Wolken, die am Himmel für Abwechslung sorgen. Schlängelnd dem Berg folgend sind weite Terrassen angelegt, die bis zum Horizont reichen, und in der Ferne im aufsteigenden Tagesdunst verschwimmen. Bei drei jährlichen Reis Ernten ist das Auskommen gesichert, das bescheiden bleibt, und immerhin bis nach dem nächsten Taifun reichen würde.

Von der Obrigkeit im fernen Manila ist hier keiner begeistert, und wir staunen nicht schlecht, als uns ein Jüngling von der eigenhändig vorgenommenen Beseitigung eines Polizisten berichtet, den er vor wenigen Wochen erst getötet habe. Wir geben ihm zwei Bier aus und finden Polizisten auch schlecht... Der übliche Verzehr von Menschenfleisch, das bei Kämpfen mit Nachbarstämmen anfiel, ist heute offiziell verboten, wie das von Hundefleisch, obwohl wir es noch auf der klebrigen Speisekarte wiederfinden. Aso Aso heißt es dort, mit Beilage und Reis mit scharfer Sauce. Wir aber beschränken uns auf das einheimische Bier San Miguel, das immerhin gekühlt ist, und nicht wie die zwei heißen Flaschen aus der Kiste des Joggers, der auf uns on top wartete.

Auf dem Kamm eines der atemberaubenden Berge, über die die Sonne streift, als hätte sie Angst ein Kunstwerk dieser Größe zu beschädigen.
Typ
Geschichte
Autor
Burkhard Jysch