Der Text
Bei der Fahrt auf dem Mekhong mit dem schmalen Boot und dem mageren Bootsführer, blickte ich links und rechts in Hänge, die voller Bäume waren, alle mir unbekannt. Manche trugen große Blätter, andere feingliedrige, fast wie Federn. Einige bevorzugten des Flussufer, wobei ihre gewaltigen Wurzeln an dessen Rand im Wasser verschwanden. Andere sah ich wie einzelne Haarbüschel, die der anfänglichen Glatze ihres Trägers letzte Freude bedeuteten.Und dann war da Bambus. Haushoher Bambus, dem es egal schien, wo er stand, er war der Beherrscher der Waldszene und wucherte, statt zu wachsen.
Vielleicht würde es einem "normalen" Bootsreisenden genügen ein paar Bilder von ein paar Bäumen zu schießen, vielleicht nicht einmal das. Was mir sofort auffiel war, dass es Bäume gab, die in voller Blüte standen neben jenen, die buntes Herbstlaub entgegen setzten, und auf eine Art Winter zu warten schienen, der nie kommen würde. Es hingen Früchte an einzelnen, reife Früchte kurz vor der Ernte, gleich daneben ein Baum in völliger Blattlosigkeit. Es gab manche, die waren kahl, hatten aber an Zweigen Magenta farbige Blüten, aus denen der Duft bis ins Boot reichte, bis hin zu mir, dem Staunenden. Ein Duft, der einer Frau gut zu Gesicht gestanden hätte auf dem Weg zu einem Konzert.
In alles drängte sich der modrige Wassergeruch des gelben Flusses, der seine Farbe wohl von den Lehmhängen forttrug bis ins goldene Dreieck, und weit darüber hinaus. Am Fuß des merkwürdig anmutenden Waldes hatten Bauern ein paar Gemüsefelder angelegt. Zwiebeln und Lauch, und wieder etwas ohne Namen zu kennen.
Ich dachte an Deutschland. An Tannenschonungen, die erwachsen wurden in ihrem Immergrün, an Buchenwälder mit ihren jahresabhängigen Farbspielen, an Birken, Eichen und Erlen, ich dachte, dass alles seine Zeit hatte. Jede Baumart wusste von ihrem Zyklus, wann es Zeit war.... Wer war hier am Werk? Machte sich da etwa etwas an die Arbeit jenem Einzelgänger etwas zu erzählen, was er zu tun hatte, und wann seine Zeit zu blühen kam oder zu sterben? Wo war die Choreografie für das Durcheinander? Und plötzlich tauchte die Verbindung auf zu uns allen. Waren wir nicht auch in unterschiedlichen Zeiten unterwegs, jeder für sich nebeneinander, jeder Einzelne in Vielfalt, wie an den Hängen des Mekhong?
Ich kam zu dem Schluss, dass es keine Schonung gibt für Baum oder Mensch. Alle werden voneinander irgendwie abhängig sein, und ihre Wurzeln an jenem Platz ausbreiten, der ihnen vorbestimmt.
Bei den Gedanken hätte ich fast vergessen zu fotografieren. Schließlich wollte ich wenigstens für einen Augenblick den Moment festhalten, wo der Winter den Sommer im Arm hält, wobei ihnen Herbst und Frühling zusehen, als wüssten sie die Antwort auf Alles.