Der Text
Wir suchten ihn, den Kleinsten von uns aus, um Genaueres zu erfahren, um Sicherheit zu verschaffen über das, was da los ist oberhalb der Kniescheibe und unterhalb des Nabels der Mädchen. Gerüchte, die herum schwirrten. Alles nur Gerüchte. Es fehlten Fakten.
An einem jener Juninachmittage, wo das Freibad Erfrischung bot, war Detlef unser Frontmann, der Erstbesteiger eines Hügels, der in der Vorstellungswelt ungeahnte Höhen erreichte, aber unerforscht war. Der Venushügel. Während wir Jungs unsere Rituale zelebrierten, wer am weitesten seinen Strahl auf einen Sandhaufen lenken konnte fiel auf, dass sich keines der Mädchen bereit erklärte an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Sie waren in vielerlei Hinsicht einfach anders. Kicherten viel und interessierten sich mehr für das, was wir im Teich ertränkten wenn es Puppen waren, oder es einfach mit Nichtbeachtung straften.
Die Aufgabe an Detlef war eindeutig. Ganz klare Ergebnisse aus dem gekratzten Loch an der Unterkante der Umkleidekabine zu ermitteln. Bilder aus der Unterwelt. Sie lagen dicht beieinander, die Kabinen, und zeigten Spuren von Scharren und Kratzen, von zugestopften Löchern mittig in der Wand, die unzählige Male wieder verstopft und abermals frei gelegt wurden.
Detlev lag flach auf dem kalten Lehmboden der Jungsumkleide, eine Wache vor der Tür, die unbeteiligt wirkte. Zuerst hörte er sie heran schnattern. Ein Pulk Mädels aus dem Dorf. Alle wollten so schnell wie möglich ins Wasser, streiften ihre Klamotten ab, rafften sie zusammen und verschwanden ebenso laut wie ein Schwarm Heuschrecken nach der Ernte.
Das Leben eines Forschers ist bestimmt durch einen gewissen Zeitdruck, in dem er jene Ergebnisse ermitteln soll, die Grundlagenforschung ermöglichen. Eine ganze Decke voller Wissensdurstiger wartete auf seine Offenbarungen. Wie war es bestellt bei jenen, die sich so schamhaft zeigten, als gäbe es einen Schatz zu verteidigen? Was war so unauffindbar, warum schlawenzelten die Erwachsenen herum bei Nachfragen, denen sie ungekonnt auswichen?
Als sich Detlef aus seiner unbequemen Lage erhob, überlegte er sich auf dem Weg zur Decke mit den Wartenden eine Geschichte. Er konnte unmöglich mit der entdeckten Wahrheit herauskommen. Sie war zu fürchterlich. Was hatte er tatsächlich gesehen als lauter Schuhe, kalkweißer Beine und nichts dazwischen? Nichts! Wenigstens etwas hätte man ihm gönnen können, etwas, mit dem er punkten konnte bei seiner Größe.
Atemlos im Laufschritt, die Mädels hatten sich bereits auf die Decken verteilt, wurde er umringt von Nichtschwimmern, die an seinen Lippen hingen wir ein Barsch am Haken.
"Sag schon, was haben sie da, wie sieht es aus, was kann man damit anfangen?"
"Nichts, sagte er, einfach Nichts"
Beim nächsten Mal würde man ihn nicht mehr für solch wichtige Forschungen einsetzen. Er war ein Versager. Ein kleiner mieser Versager.
Nachsatz: Detlef wurde in seinem späteren Leben Frauenarzt.