Der Text
Erst wenn es dunkelt entfaltet der Markt sein weihnachtliches Flair. Aus grauen Pflastersteinen werden durch unzählige kleine Glühbirnchen Glitzersteine. In einem Pferch schnuffelt eine Schafherde durchs Heu, und statt des Sterns von Betlehem am Himmel hängt eine Dunstwolke über der Versammlung. Bei der Begehung des Weihnachtsmarktes werden akustische Welten durchschritten. Die der Zukowskis, Andrea Berg und des Chris Rea, der mal wieder zum Fest home drived.
Jeder der Glühweinstände hat sein eigenes Rezept. Basis Rotwein, dem die eine oder andere Gemeinheit hinzugefügt wird. Man spricht von Rum und Geschmacksbetörern. Die Mischung muss derart sein, dass beim Genießer aus dem strömenden Regen Schnee wird, und am Rundtisch langsam lauter Freunde stehen. Nach dem vierten Becher hat der Veranstalter zusätzliche 2000 Birnen eingeschaltet, dem Pitbull wird durch den Maulkorb die Schnauze gekrault und aus der kleinen Runde wird eine große.
Neue Freunde erzählen, dass sie extra aus Hamburg angereist sind. Vor den Futterkrippen bilden sich kleine Schlangen. Kinder zerren an Händen, Hunde an Leinen und Hände an Geldautomaten. Über einem Marktstand wackelt der Kopf eines Elchs. Durch seine Nüstern intoniert der Tölzer Knabenchor Deutsches Liedgut. Die Standbesitzerin gegenüber trägt Schal und was im Ohr. Vor ihr funkeln echte Glasperlen aus dem Erzgebirge, sowie gedrechselte Räuchermännchen, die aus allen Körperöffnungen räuchern.
Aus den Marktbäumen sind längst Lichtmasten geworden, an denen kein Hund mehr das Bein heben mag. Die Speisekarte des Restaurants am Platze bietet Filetsteak im Heubett mit Granatapfelmus, der Grieche bleibt orthodox beim Gyros. Und endlich vernehme ich die vollen Stimmen eines Shantychors, der Aufstellung auf der großen Bühne genommen hat. Küstenlieder zum Schunkeln, die die Hamburger mit dem Ruf quittieren:
"Das ist ja wie zu Hause!!"