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Titel
Wüstenerfahrungen
Der Text
Es gibt sie, diese Stellen der Gegensätzlichkeit. Da ist erst einmal die Vorstellungswelt über eine Wüste. Sand muss sein bis zum Horizont. Ganze Hügel aus Sand stellte ich mir vor in der Namib. Dann die Enttäuschung über das schmutzige Geröll, was ich sah, die Unaufgeräumtheit, an der sogar der immerwährende Wind verzweifelte, der an den dicken Brocken riss, die sich nicht darum scherten. Beim kurzen Aussteigen schlug mir eine heiße, trockene Luft entgegen, die Sonne lag im Dunst des aufgewirbelten Sandes, eine graue Scheibe aus deren Richtung alles kam. Der zerfallende Drahtzaun gab sein Dasein schon bald hinter Windhoek auf, wurde löchrig, dann unsichtbar, da die Pfähle ihr Schicksal längst einsahen und sich dem beugten.

Nach der stundenlangen Fahrt auf schnurgerader Strecke das Meer. Ein anderer Dunst, etwas heller, der die feinen Tropfen ins Gesicht trieb. Und während ich allen Grund gehabt hätte, mich über die sengende Hitze zu beschweren, waren die Tropfen eiskalt. Sie kamen vom Strom, der die Küste streifte, und den Anschein erweckte, besser nicht weiter vorzudringen als nötig. Im Nacken lief mir der heiße Schweiß vom Kopf, während ich der Versuchung nicht widerstehen konnte meinen Fuß ins Wasser zu halten. Hier wäre niemand auf die Idee gekommen zu baden. Beim Blick die Küstenlinie entlang, die hier Skeleton Coast hieß, sah ich die Nebelfahnen, die vom Meer aufs Land trieben. Salzig abweisend und Durst erzeugend, wie ihn die zahllosen Schiffbrüchigen wohl erleben mussten, die im Landesinnern schon bald ihrem Schicksal erlagen. Durch die starke Strömung spülten sich Sandbänke auf, so dass es selbst heute keine verlässlichen Seekarten in der Gegend geben kann.

Tiere, sahen wir keine bis auf einen Geier, der in der einzigen Kurve auf einem ehemaligen Telegrafenmast ausharrte, und uns neugierig, noch im Rückspiegel zu sehen, betrachtete. Und doch lebte es hier, wie wir wussten. Es waren Künstler, denen es gelang gegen alles Unwirtliche anzuleben, die eigene Art von Generation zu Generation weiter zu entwickeln und in diesen Grenzbereichen zu überleben.
Typ
Kurzgeschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Nein