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Titel
Willi Schof
Der Text
Natürlich hatte der Sportplatz oben auf dem Gelände der Schule nicht die international gültigen Maße, die heutzutage angelegt werden, wenn Millionen Menschen vor den Fernsehern sitzen, und sich ein Fußballspiel angucken. Genau genommen sah sogar keiner zu, wenn wir uns der Reihe nach formierten, und uns zu zwei Mannschaften aufteilten. Vor uns lag ein Fußball, dem der letzte Rest seines Lebens durch unser Gebolze bevorstand. Der Beste von uns Jungs hatte sich längst heraus geboxt im Dorf, er teilte ein und konnte austeilen. Die Hühner liefen schon weit vor ihm von der Straße, wenn der einen Stein mit dem Fuß in ihre Richtung schickte.

Heute war´s heiß. Die kurzen Alletagehosen klebten an den dürren Beinchen wie Fliegenfänger. Die meisten von uns hatten rote Wangen, als wären sie reife Äpfel einer alten Sorte. So wenig wie die feststehenden Maße des Platzes, so wenig waren es elf Freunde, die am Nachmittag dem Finger des Anführers Rainer folgten, der die Einteilung der immerhin 9 Figuren vornahm. Als Tore standen jeweils zwei Milchkannen auf einer Grasnabe, den Anstoßpunkt bildete eine handvoll Schrot aus einer der Hosentaschen. Als eine Seite galt die Mauer um den Kuhstall von Treppen Bartels. Die Bälle kamen von dort allesamt zurück ins Feld. Einwürfe überflüssig.

Der dicke Willi durfte heute sogar mitspielen, weil einfach zu wenige da waren. Er hatte sich den Hang zur Schule empor geschnaubt, und noch genug Zucker um seinen Mund vom Stück Kuchen, dass sich die Fliegen um ihn scharten. Aus was der Ball bestand, konnte niemand genau sagen; Leder kann dabei gewesen sein. Immerhin hatte er eine runde Form, und war stets Mittelpunkt, wenn wir uns um ihn kümmerten, und es ein Spaß war ihn einzuholen, wenn er sich rasch Richtung Dorfstraße aus dem Staub manchen wollte.

Am Ende stand es 12 : 0 oder so für die gegnerische Mannschaft vom Willi. Er war an zwei Eigentoren beteiligt, oder zumindest in unmittelbarer Nähe der Milchkannen gewesen, die keinen Videobeweis brauchten. Eigentlich waren solche Ergebnisse auch unwichtig. Was zählte, waren die blauen Flecken unterhalb und oberhalb der Kniescheiben, die Blessuren, auf die daheim ein Pflaster geklebt werden musste. Manche zeigten sie ihrer Mutter, die sie entweder behandelte mit einem tröstenden "Heile heile Gänschen", oder so etwas wie "und dafür kommst du her?" beschied.

Wenn wir solche Spielchen auf dem Wiesenacker im Schulbereich abhielten, ging es laut zu. Manchmal erinnert es mich heute aktuell an Interviews nach einem entscheidenden verlorenen Fußballspiel, in dem es doch tatsächlich heißt: "Es hat daran gelegen, dass wir uns nicht laut genug gegenseitig verständigten..."

Mehr will ich dazu nicht sagen.
Typ
lustig
Autor
Burkhard Jysch