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Titel
Straßen des Himmels
Der Text
Wir saßen eine Zeitlang zusammen, unterhielten uns über unsere Arbeit. Ich, im Kontrolldienst der Flugsicherung und er, der Scout für die Eignung zukünftiger Flugplätze. Zusammen gekommen auf Einladung unsererseits an ein Luftfahrtunternehmen wie die Hapag Lloyd, bei der er angestellt war. In einer Art Sternflug aus dem Bundesgebiet nach Mallorca, wo wir einen Tag der Gespräche untereinander, sowie landesüblicher Speise und Getränkeangeboten auf einer Finca bekamen. Abgesehen davon, dass ich gar nicht wusste, dass es so etwas wie ihn gab, entwickelte sich ein sehr interessantes Gespräch über unsere gegenseitigen Betätigungen. Unsere Gemeinsamkeit bestand aus der Fliegerei und ihrem weiten Feld.

Er erzählte mir von seinen Erfahrungen an Orten weltweit, die sich aufgrund seiner Expertise später zum Bau eines Flugplatzes entwickeln sollten. "Meine Aufgabe war es, als erstes ein geeignetes Feld für den Bau einer Landebahn zu erkunden. Das betraf zuerst die Bodenbeschaffenheit, das Umfeld, die Möglichkeiten aller Logistik, die dazu gehörten, so etwas aus dem Boden zu stampfen."

Es war sozusagen der gedanklich erste Spatenstich für etwas Großes, das noch in der Vorstellung existierte, die einmal Wirklichkeit werden sollte. War es nicht auch so, wie mit Häfen am Meer, an Flussmündungen in unwegsamen Gegenden, aus denen einmal ganze Städte wurden? Es interessierte mich ganz besonders seine Vorgehensweise, und im erweiterten Gespräch seine Gedanken zur Entwicklung des weltweiten Flugverkehrs. Was er bisher mit sich gebracht hatte, und worin der Nutzen für die Menschen bestand, und selbstverständlich den Schaden durch den Tourismus, der sich ausbreitete wie eine Lawine, die einmal eine Schneeflocke war.

Im Laufe der Gespräche, die an den hübsch dekorierten Tischen im hohen Gewölbe der Finca stattfanden, kamen jene erstmalig in einem Raum zusammen, in dem sich Nutzer und Lenker des mittlerweile weltumfassenden Geschäftszweiges Fliegerei zusammen austauschen konnten. Es ging um Verstehen und Verständnis für die jeweiligen Schwierigkeiten des Alltags, um Verspätungen und deren Ursachen, und auch um deren Beseitigungen auf kurzem Weg.

Ich wusste von der Vorgehensweise im brasilianischen Busch, wenn dort eine Landepiste den Beginn des Untergangs der Natur ringsum bedeutete, auch den vordergründigen Nutzen der in Einsamkeit dort lebender Naturvölker bedeuten sollte. Auch heute noch sehe ich darin eher eine Null auf der Seite und eine Menge Verlierer. Mit den Kettensägen und deren Bedienern fahren praktischerweise gleich Tierjäger auf den Ladeflächen mit, die am Abend bei der Rückkehr mit reichlicher Beute ihre sichere Heimat wieder erreichen, während sie tot oder lebendig die Heimat jenen stehlen, die sie unwiederbringlich verloren haben würden.

Hier neben mir hatte ich also einen Pionier sitzen, der das erste Glied in der Kette war, die sich formte und in ein anderes fasste, das noch kommen sollte. Sollte ich das erwähnen, woran wir beteiligt waren und unser Geld damit verdienten? Konnten wir einen Beruf ablehnen, der am Ende zu einer Entwicklung führte und dem Verlust von Baum und Strauch, von Tieren und Existenzen, nur um an Palmöl zu gelangen, dem so begehrten Stoff, an dem Konzerne verdienen? Auch wir beide fliegen in den Urlaub, legen uns auf den mehlig weißen Sand, um die Augen vom Alltag zu verschließen, um Ruhe und Erholung zu finden.

Selbst nach Kenntnis all dieser Umstände würden wir nichts verändern. Es war und ist die Zeit der langen Reisen auf Straßen am Himmel, die manchmal als weiße Streifen sichtbar werden, und vom Höhenwind getrieben wieder verschwinden. Spuren werden sie hinterlassen, die unsichtbar werden aber messbar bleiben.
Typ
Kurzgeschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Nein