Der Text
Myanmar
Was einst Burma hieß, und sagenumwobenes Abenteuerland mit reichen Bodenschätzen und ursprünglicher Zivilisation war, ist heute versunken in einen Krieg der Generäle gegen das Volk mit derzeit offiziell über 800 Toten. Ich habe das Land damals in den 80er Jahren für eine Woche besucht, für die es eine Einreiseerlaubnis erforderte. Wir reisten wieder zu zweit, nachdem uns das begehrte und sehr farbenfreudige Visum ausgestellt wurde, das wir von Deutschland aus beantragt hatten. Wir wussten nur das, was aus Reiseführern bekannt war. Ein armes Land, das so gewöhnliche Dinge brauchte wie Kugelschreiber oder Gummistöpsel für Waschbecken, und Zigaretten der Marke 555, die quasi als Zahlungsmittel als galten.
Schon damals herrschte eine Militärregierung, die es nicht nur bei der Einreise sehr genau nahm, sondern auch bei der Ausreise. Alle mitgeführten Dinge mussten auf einer Liste aufgeführt werden, die dann später bei der Ausreise genau überprüft wurde. Was dabei vergessen wurde, blieb im Land wie mein leichtsinnig nicht aufgeführtes Badelaken....
Die Abschottung hielt den Tourismus in engen Grenzen, und ließ zu unterschiedlichen Zeiten mit staatlichen Erlassen eine gewisse Anzahl Menschen einreisen. Wir flogen mit der staatlichen Linie Burma Airways von Bangkok nach Yangon. Schon gleich vom Zollbeamten wurde für einen schlechten Umtauschkurs unsere Stangen 555 gegen Bargeld geboten, was wir aber ablehnten. Wussten wir doch aus dem Reiseführer, dass der Kurs sich enorm verbesserte, desto weiter wir von der Kontrolle uns entfernten. Die Geldscheine spiegelten den Zustand des ganzen Landes. Es waren tausendfach gebrauchte Lappen stinkenden Papiers, das so gut wie wertlos war, wenn man es umrechnete. Der Tauschhandel ersetzte häufig die damals schon marode Währung des Kyat, (derzeit 1 Euro = 0,00053 Kyat).
Der Fluss Irrawaddy führte Niedrigwasser, seltsam alte Lastkähne lagen hier und da am Ufer trocken. Die weltberühmte riesige, vergoldet glitzernde Shwedagon Pagode bestaunten wir nur von außen. Unser Plan gen Norden ließ uns rasch weiterreisen. Die Bahnfahrt von Yangon nach Mandalay war eine reine Tortur. Im Zuckeltempo ging es stundenlang durch die Nacht. Wir waren die einzigen Touristen, und hatten Schwierigkeiten mit unseren langen Beinen. Grundsätzlich waren alle Verkehrsmittel zum Bersten überfüllt, wie auch diese Verbindung. Ich kam unter einer Sitzbank zu etwas Schlaf, wobei ich nur meinen Kopf seitlich darunter schieben konnte, und zwei Paar Füße auf meinem Körper zuließ. Es fand derzeit ein bestimmtes Fest statt, ein Wasserfest. Einwohner der Gegend brachten in großen Krügen Wasser an die offenen Fenster zum Verkauf und zur Erfrischung. Sie schöpften es aus einer dunklen Quelle, und ermutigten es zu trinken.... Was sie nicht verkauften, (das meiste), wurde dann in die Waggons geschüttet, wobei sich alle freuten, bis auf die, die im Waggon saßen. Bei fahrendem Zug schien es eine wahre Freude, es in die offenen erleuchteten Fenster zu schütten, wobei es durch die Fahrtgeschwindigkeit durch den Gang auch die hinteren Reihen erreichte.
Lange hielten wir uns in Mandalay nicht auf. Die Fahrt ging mit einem Pickup weiter nach Memyo, das weiter im Norden unsere nächste Station sein sollte. Früher ein Gouverneurs Sitz der Engländer. In deren üppig ausgebautem Sitz, der jetzt Hotel war, fanden wir reichlich Platz, einen Kamin im Schlafzimmer und leider nur eine Toilette, was wir später noch bitter bereuten.
Abends besuchten wir einen nahen Nachtmarkt. Man fragte uns, was wir denn dabei hätten, um es zu tauschen.....Begehrt war alles an uns an Bekleidung, geboten dafür zum Beispiel fein bestickte große Wandteppiche mit Halbedelsteinen für eine einzige Musikkassette der Stones, deren Musik verboten war zu hören. Was wollten wir aber mit einem Wandteppich, wenn wir ohne Hose sein würden? Die Menschen waren ausnahmslos zurückhaltend, freundlich bis herzlich, bestaunten unsere Jeans. Einige luden uns ein am Morgen einen der Märkte zu besuchen. Auf ihm wurde auf Decken Obst, Gemüse, Safran und andere Gewürze in rauen Mengen am Boden angeboten. Das extrem teure Safran, das hier in Handarbeit geerntet wurde, lag in einem stattlichen Haufen mitten auf dem Gehweg. Darunter auch Walderdbeeren. Zusammen mit Milch und Eiswürfeln schmeckte der Drink nicht nur erfrischend, sondern war bei sofort einsetzender Verdauung auch nachhaltig, wie schon beschrieben, als es um die Toilette im Zimmer ging. Alles Eis, wenn es das überhaupt gab, war mit Vorsicht zu genießen.
Das Essen im Hotel war eine Ausnahme. Es gab grüne Bohnen und Rindfleisch in schmackhafter Sauce mit Kartoffeln. Nach Tag vier fragten wir, wie lange denn noch dieses eine Essen serviert würde. "Das servieren wir seit 30 Jahren jeden Tag." Touristen blieben hier nur eine oder zwei Nächte, dann merkten sie nichts von der identischen Speisefolge. Die meisten reisten weiter nach Bagan, der berühmten Tempelstadt mit über 2000 Pagoden. Schnell merkten wir, wie sehr uns Gekühltes fehlte. Kaum Strom tags, eine Nachrichtensendung im TV genau um 20 Uhr mit wenig internationalen Nachrichten.
Das Land, in dem wir etwas mit dem Leihrad unterwegs waren, um zu einem Wasserfall in der Nähe zu fahren, war in Rauch getaucht durch abfackelnde Reisfelder. Rauch, der sich mit der feuchten Hitze verband, und die Fingernägel schnell schwarz werden ließ. Bunt waren die Kleider der Frauen, vor allem in den Trachten des Nordens, Männer trugen allesamt die bekannten Röcke. Auffällig waren die Holzreifen von Ackergerätewagen, die von abgemagerten Zugpferden geschleppt wurden. Wir sahen ausnahmslos ernährungsbedingt schlanke, oft unterernährte Menschen, denen man die Armut förmlich ansah. Ein Land aus einer anderen Zeit, in das wir Fremdlinge hineingeraten waren.
Es nahte der Abreisetag, die Formalitäten. Zuvor verabschiedeten wir uns von der Hotelrezeption, einer jungen Frau mit leiser Stimme, mit tiefschwarzen Augen und Haaren. Ich schenkte ihr ein Probefläschchen Aftershave. Sie freute sich dermaßen, dass ihr die Tränen kamen, was mich sehr bewegte.
Wieder zurück in Yangon betraten wir ein empfohlenes Hotel der Stadt, um endlich ein Bier zu trinken. Sie hatten nur eine gekühlte Flasche, die der Ober auf einem Silbertablett servierte. Beim Öffnen bröselte die Unterseite des Kronkorkens heraus. Wir machten reichlich Fotos von der Flasche, was erstaunt beobachtet wurde. Später in Bangkok, als ich am ersten Cola Automaten eine gekühlte Dose zog, und sie fast in einem Zug leerte. Selbst mir kamen die Tränen vor Freude endlich wieder in einem zivilisiertem Land sein zu dürfen. Wohl auch von der Kohlensäure, und wegen der Woche ohne jedes Kaltgetränk bei andauernd heißen Temperaturen.
Nachwort: Noch während des Resturlaubs in Thailand stürzte unsere Maschine in den Urwald. Die letzte der vier bereits zuvor abgestürzten vier Maschinen von Burma Airways, und mit ihr mein kleiner TUI Aufkleber aus Düsseldorf am Vordersitz.