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Titel
Tage des Sommers
Der Text
Der Wind frischte noch einmal auf. Tagsüber hatte sich kein Lüftchen geregt, stattdessen warfen die hohen Bäume vorzeitig ihr Laub in den Straßengraben, von wo es sich nicht mehr erhob. Die Hunde im kleinen Dorf, das sich in eine Senke vor dem Höhenzug duckte, suchten sich hechelnd einen Schattenplatz, und die Alte, die gewöhnlich auf dem wackligen Stuhl vor ihrem Haus saß, heute war selbst sie nicht zu sehen.

Ich fuhr bewusst langsam an den Häusern vorbei, die ausschließlich direkt an die Straße heran gebaut waren. Dahinter waren die Felder. In fast jedem Haus wohnte einer meiner Schulfreunde. Wusste ich noch die Namen, oder die Nachnamen? Kamen da noch Bilder in den Kopf, in welcher Uniform sie durchs Dorf zogen, bei einer der seltenen Umzüge alle paar Jahre?

Das Ganze hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Die Straße umkurvte wie seither die Häuser, so, als wäre sie nach ihnen gebaut worden. Ganz anders die Felder dahinter. Aus vielen einzelnen war ein einziger Friedhof geworden. Nichts flog mehr über den sommerschlaffen Halmen. Kein Bussard schrie, oder kreiste schwerelos über einer vielversprechenden Stelle im Korn.

Beim Schlachter hinter der großen Scheibe holte ich damals mit dem Rad etwas zum Mittag. Jetzt fuhr ich an der zugezogenen Gardine vorbei, wie an allen anderen Gardinen. Das bunte Dorfleben war ausgezogen, und ich begann das zu entschuldigen mit der sommerlichen Hitze dieser Tage. Dass dieses nicht der Grund war für den Anblick war mir bewusst, und doch wollte ich, dass es weiter lebte, lärmte und auferstand. Dass jemand mir aus einer geöffneten Tür zuwinkte....

Am Dorfausgang war doch der Garten mit den überschäumenden Blumen bis an den Graben, der Garten mit der kleinen Holzbude und der gekrümmten Figur, die in ihrer geblümten Schürze etwas zupfte, oder vor sich hin murmelte. Immer zu einem Schwätzchen bereit. Hier wird also an der Ortsumgehung gebuddelt. Einige Brückenpfeiler stehen schon grotesk in der Landschaft. Nur die Straße fehlt noch zwischen ihnen. Eine, die das Dorf vom Verkehr befreit wie von einer Last.

Alles überragend der Windpark, der mehr oder weniger mit seinen mächtigen Flügeln die heiße Luft dieser Tage zu bewegen versucht. Hilflos, wie alles, was sich nach Regen, Wind und Leben sehnt.
Typ
Kurzgeschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Nein