Der Text
Heute, nach dreißig Jahren, finde ich sie in einem braunen Papier eingewickelt zwischen den Scheinen und Münzen vergangener Urlaube. Gedanken, verblichene Erinnerungen. Die Fahrkarte von Rangoon nach Mandalay. Bedruckter Karton, so haltbar wie seine schwarze Schrift darauf. Ich fische sie zwischen Münzen aus Singapur, von den Malediven, aus immer noch blassgrünen Scheinen Thailands, aus Hongkongdollars, auch Myanmar, das damals noch Burma hieß. Damals vor dreißig Jahren....
Sie müssen übrig geblieben sein. Nicht ausgegeben für etwas, das man dafür bekam. Ich frage mich, ob sie wertlos sind? Die Karte im Kleinformat sicherlich. Die ist abgefahren am 27. März 1987. Durchkreuzt von einem Schaffner, an den ich mich nicht mehr erinnern kann, ob es ihn überhaupt gab. Für 88 Kyat, (ausgesprochen Tschat), das sind nach heutiger Rechnung 0,05361 Euro für 575 Kilometer Bahnfahrt in 8 Stunden und 23 Minuten.
Ganz oben steht First Class. Der Zug war derart überfüllt, dass es keinen Stehplatz gab, und keinen Sitzplatz. Ich weiß noch sehr genau, dass ich total müde war, dass bei geöffneten Fenstern nach kurzen Stopps auf der Stecke, das aus großen Krügen angebotene Wasser zweckmäßigerweise in die Waggons geschüttet wurde, falls sie nicht verkauft werden konnten. Es wurde wenig verkauft.. Wer trinkt schon diffuse warme Brühe aus Brunnen der Umgebung? Die Verkäufer hatten großen Spaß an ihren "Sonderangeboten", die bei fahrendem Zug quasi durchs Abteil nach hinten trieben, und Foto verrückte Touristen mit ihren teuren Kameras zur Verzweiflung brachten. Merke: Schließe die Holzjalousie bei Einbruch der Nacht, wenn du fährst!
In der kleinen Bank unter Sitz Nummer 15, wie ich entziffern kann, sitzen sie zu fünft, daneben stehen sie dicht gedrängt und warten darauf, dass einer herunter fällt vor Erschöpfung. Aber selbst wenn dieser glückliche Umstand zustande kommen würde....da liege schon ich! Habe mir einen Platz unterm Sitz gesucht. Den Kopf muss ich seitlich drehen, um unter den Sitz zu geraten. Hier ist tatsächlich noch etwas Platz, den mein Mitstreiter mir lässt, der dieses Versteck ebenfalls schon entdeckt hatte, und dessen Füße ich etwas zu Seite rücke. Mein Freund Nasi hat durch seine Körperlänge andere Vorteile. Wenn er seine Beine ausstreckt, reichen sie bis in den Führerstand des Zuges, wo neben dem Lokführer noch ein Platz frei ist.
Wenn ich daran denke, welcher Komfort in der First Class angeboten wurde, und wie der in den beiden unteren Klassen aussehen muss, wenn ich nur daran denke...?
Beim Ausstieg in "Mandalay Hauptbahnhof", im Norden des Landes, beim Ausstieg sehe ich die dritte Klasse. Es ist jene, die ein Fußrost dem Reisenden zur Verfügung stellt, das ab und zu auch mit zwei Füßen zu benutzen ist. Falls mal einer unterwegs aussteigt oder abfällt. Die vom Dach sind zweiter Klasse. Da herrscht Fahrtwind, der bei den Temperaturen höchst willkommen ist.
Heute ist dieses Land wieder in den Schlagzeilen. Ein ganzes Volk wandert aus. Aber das ist ein anderes Thema, eine andere Zeit.