Der Text
Es war einer dieser schon lauen Vorfrühlingstage, wo es sich fast nicht mehr aushalten ließ hinter den Scheiben, an denen ein Blick, und noch einer auf die raue Fläche des wintererstarrten Gartens geworfen wurde, ob nicht doch schon ein Frühaufsteher es ähnlich empfand wie ich... Im Schuppen waren doch noch die Filmdosen, in denen sich mancher Same vom Vorjahr befand, um ausgesät zu werden. Ich hatte es mir zur Angewohnheit gemacht, im richtigen Moment die Schoten von Wicken, die Kapseln vom Klatschmohn und jenen Blütenzauberern zu sichern, um ihnen eine Wiederauferstehung zu ermöglichen.
In bester Laune nahm ich den Krabbler, (Sohn), mit in den Garten, und setzte ihn an einer Stelle der Beete ab, in die ich vorhatte auszusäen. Meine Gedanken waren damit beschäftigt, welcher Same an welcher Stelle wohl am besten aufgehen würde. In Gedanken blätterte ich die Broschüren durch und sah blühende Gartenränder vor meinem Auge. Alle Filmdosen, die ich wieder fand im Schuppen waren beschriftet, nur die Schrift war bereits fast unleserlich.
Ich begann mit den Wicken am Maschendrahtzaun zum Nachbarn. Kleine Kügelchen wollten 3-5 cm tief versenkt werden. Die Filmdose ließ sich nur unter Schwierigkeiten öffnen, fast brach ich mir einen Nagel dabei ab. Der Krabbler musste mich beobachtet haben....Als ich mich zu ihm kurz umdrehte setzte mein Atem für einen Moment aus. Um seinen Mund war er schwarz von Samen, die er aus einer der Dosen sich einverleibte, oder aus Zweien in denen der Tod lauerte?
Ich prüfte augenblicklich die Aufschrift auf der geöffneten Filmdose. Von den dreien war es nicht der Fingerhut und auch nicht der Eisenhut, sondern der Klatschmohn...Er hatte sich für sein Leben entschieden...
Teil 2
Um meinen Klinikaufenthalt unterhaltsamer zu gestalten, rückten diverse Arbeitskollegen vors Bett, die mir dieses und jenes mitbrachten. Unter anderem war auch ein Empfänger dabei, mit dem man UKW Radio empfangen konnte. Klein und handlich mit Quäkestimme zwar, aber zu verstehen. Nach Beendigung des Aufenthaltes nahm ich ihn mit, und stellte ihn auf dem Nachttisch auf, um auch ja keine Spätnachrichten zu verpassen....Der Krabbler war mittlerweile fähig, auch höher gelegene Gegenstände seinem Forschergeist zur Verfügung zu stellen. Irgendwann muss er sich an den Empfänger heran gemacht haben um, wie auch immer, die Klappe zum Batteriefach zu lösen. Um dann die Knopfzelle heraus zu bekommen, bedurfte es schon einer gewissen Fertigkeit. Die hatte er aber leider.
Ich fand den Empfänger zerlegt vor und den Forscher in seinem Zimmer. Von den drei Knopfzellen fehlte eine. Die anderen beiden fand ich mit Mühe irgendwo unter dem Bett nach reichlicher Suche.
Die dritte blieb verschwunden. "Wenn Sie sie nicht finden, findet er sie", das war die Aussage des Notarztes kurze Zeit später. "Irgendwann findet er sie, nur wissen wir es nicht. Sie müssen sie finden!" Und dann sagte er noch: "Die Auswirkungen einer Nickel Cadmium Vergiftung auf einen jungen Körper erspare ich Ihnen zu beschreiben!"
Wir suchten weiter. Keine Knopfzelle zu finden. Im Krankenhaus nächtens angekommen blieb die Untersuchung mit dem Röntgengerät erfolglos. Die Röntgenaufnahme zeigte zwar den Mageninhalt, aber nicht den des Darms. Schließlich blieb nur, den Morgen abzuwarten, um mit einem Sieb den Torpedo zu finden.
Die Magensäure hatte die Zelle verrosten lassen. Sie war schon weiter gewandert... wir fanden sie Gott sei Dank nach intensiver Suche braun und angefressen....
Teil 3
Das Telefon klingelte. Ich war derzeit in der Küche beim Basteln an einer Figur aus Moltofill. Der Krabbler überall. Für den Moment schnell die Finger abgewischt und das Gespräch angenommen. Es dauerte nicht lang. Lang genug allerdings, um ihn plötzlich auf allen Vieren um die Ecke kommen zu sehen, eine weiße Spur Moltfill hinter sich her ziehend mit schwer verschlammten Mund...."Ich muss eben mal auflegen und was klären", beendete ich das Telefonat. Das nächste tat ich mit der Notrufzentrale.
"Kann die Masse im Körper aushärten oder kann sie nicht?" war meine erste Frage. "Schauen Sie mal aufs Paket," war die Antwort. Ich schaute und las zunehmend nervös, was man mit dem Zeugs alles spachteln und gestalten kann. Wo es hergestellt wird, wann es härtet....aber nicht wo im Kinderdarm. "Dann machen Sie sich mal keine großen Sorgen, das wird schon nicht härten, da ja keine Luft ran kommt..." Manchmal sind Zentralen von zentraler Beruhigung weit entfernt. So wie in diesem Fall.
Heute studiert der Krabbler Geologie. Hat das nicht auch was mit Verhärtungen zu tun?