Text 52/622

Titel
Augustspielerei
Der Text
Es ist die Zeit in der sich der Sommer zeigen soll mit der Macht seiner heißen Tage, schlaflosen Nächte, und doch manchmal zu spürenden kürzeren Stunden der Helligkeit. Tut er aber nicht. Anders als sonst ziert er sich, widerstrebt den Wünschen der meisten, die so etwas von ihm erwarten wie letztes Jahr. Er hat seinen eigenen Willen, den er durchsetzt. Hier zu nass, da zu trocken auf jedenfalls aber nicht typisch. Das macht nichts, sage ich ihm, bleib individuell, ich komme schon klar, während ich an ersten Frühherbstblühern vorbei gehe, die mir hinterher schauen, ob sie mir wohl aufgefallen sind.

Ja, ich habe euch bemerkt und werde erinnert, dass die Mitte des Jahres längst überschritten ist. Soll ich jetzt Resümee ziehen? Habe noch die Jahreswendsprüche im Ohr, von "frohes Neues Jahr" und so. Neu ja, aber froh? Vielleicht fröhlich... Da ich kein Lotto spiele, sind die zahlreichen Möglichkeiten Millionär zu werden an mir vorbei gegangen wie die Tage bis jetzt. Katastrophen waren dabei und Glücksmomente bei den Olympischen Spielen, die keine mehr sind. Fast zwanghaft werden die alten Symbole als Feuer durchs Land geschleppt, und vor leeren Rängen das große damit entzündet. In den Intensivstationen kämpfen sie zu sechst beim Wenden eines Körpers, der mit dieser tödlichen Krankheit ringt. Er möchte gar nicht aufs Treppchen, ihm würde schon reichen, wenn er nach dem Motto: "Hauptsache dabei sein" weiterleben darf. Die Kampfrichter sitzen unsichtbar in ihm selbst und heben oder senken den Daumen.

Er selbst darf nicht mit stimmen. Und August hat das Jahr überschritten.
Typ
Kurzgeschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Nein