Der Text
Oh, ich weiß noch genau, wie sehr ich mich aufs Fest freute damals. Als endlich fast alle Blätter von den Bäumen sich entschlossen hatten, aus lauter Neugier wie ihre Kumpels zu Boden zu gehen, als die ersten Herbststürme meine kleinen Bauten im Wald mit Regen fortspülten, da sprach man übers Fest, das kommen würde, und Wünsche erfüllte..... Kleine wie große. Zum Vorfreudenauftakt brachte die Oma aus der großen Stadt einen Adventskalender mit, in einer Verpackung, aus der seltsame Glitzerchen rieselten. Dem allein auf den Grund zu gehen bedeutete schon etwas. Auspacken ja, aufmachen bitteschön nach jeweiligem Datum!
Hervor kam ein dünnes Teil mit einem Weihnachtswald vorne in Din A 4 Format, der mit eben solchem Glitzerzeugs bestreut war, von dem es sich offensichtlich lösen wollte. Hinten war nix bis auf den Preisaufkleber für 80 Pfennige. Das muss in den letzten Novembertagen gewesen sein. Brav
verstaute ich das kostbare Papier neben meinem Bett und hielt jeden Abend das Ganze vor die Zimmerlampe, mit der Glitzerseite voraus. Es erschienen verdächtige Gegenstände von Trommel bis Schlitten, von Eichhörnchen bis Rotkehlchen. Ich kannte bald alle auswendig und tat überrascht, wenn ich sie endlich nicht seitenverkehrt bestaunen konnte......
Abgelöst wurden die dürren Exemplare des Kalenders alsbald durch deutlich dickere. Hinter deren Türen versteckten sich bis zur Offenbarung Schokoladenweihnachtsmänner, Schokoladenflöten, einfach alles aus Schokolade, was mir wesentlich mehr zusagte, als bedrucktes Papier. Als die Oma aus der großen Stadt den ersten dieser Art anschleppte, bemerkte ich zwar den eher gelangweilten Blick des allgegenwärtigen Cocker Spaniels, der so tat, als hätte er kein Interesse an Weihnachten, machte mir aber keine Gedanken. Irrtum, mein Freund. Er muss beobachtet haben, wie ich jeden Morgen den Stuhl heran schleppte, um ans Futtertürchen zu kommen.
Da vergisst man einmal den Stuhl wieder zurück zu stellen....
Man kann am Ereignistag das Chaos gedanklich nachvollziehen. Vom eigenen Brüllen übertönt, lag die heilige Familie inklusive Krippe mitsamt Ochsen und Stern von Betlehem, sowie sämtliche anderen Schokogebilde tief im Schlund des Täters, der sich bei Entdeckung noch die braune Schnauze leckte. Übrig geblieben waren die unverdaulichen zerfetzten Türen, der Rahmen vom Sabber aufgeweicht in der Zimmerecke schlecht versteckt....und der Täter selbst überglücklich, doch beschämt in der entgegengesetzten Zimmerecke.
Natürlich war kein Ersatz Anfang Dezember zu bekommen. Tröstende Worte können selten Schokolade ersetzen.
Die Hundestrafe bestand aus Knochenentzug beim Festmahl, indem ich genüsslich ein abgenagtes Bein vor den Augen des Diebes in den Mülleimer warf. Ich bin mir sehr sicher, dass er genau wusste, warum!