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Titel
Durch die Drakensberge
Der Text
Im Reiseführer Südafrikas stießen wir auf fantastische Naturaufnahmen, die eine wild zerklüftete Gebirgswelt zeigten, Serpentinen wanden sich an den Hängen rötlich gefärbter Gesteine, und wenn irgend ein Baum einmal hier gestanden haben könnte, war davon weit und breit nichts mehr zu sehen. Also beschlossen wir genau dorthin unseren Leihwagen zu lenken. Eine früh beginnende Tagestour im Süden des Riesenkontinents Afrika in Lesotho, das an das Zululand Kwa Zulu grenzt.

Der höchste Berg maß immerhin über 3000m und entsprach der höchsten Erhebung Südafrikas. Das Wetter war anfangs gut, so dass wir in der Früh mit flüssigen Proviant und vollgetankt am Fuße des Massivs ankamen. Es waren nur noch ein paar Kurven, bis es steil nach oben gehen sollte. Auf meiner Seite erschien eine kräftige Gestalt, die uns mit einer kleinen Handbewegung stoppte. Der Mann trug so etwas wie die Uniform eines Rangers, oder Parkwächters, und war allein. In seinem Mundwinkel drehte sich der Stumpen einer Zigarre, deren Rauch jetzt durchs Fenster wehte, an beiden Hosenbeinen baumelte ein überzeugender Revolver.

"Firearms, Drugs?"

Sein Repertoire beschränkte sich, verbunden mit einem Schnüffelblick, auf diese beiden Fragen. "Not at all" hörte ich mich sagen, und setzte mein unschuldigstes Morgengesicht auf, das mir möglich war. Natürlich hatten wir weder noch dabei. Da er keine Handbewegung machte, die uns weiter fahren ließ, fragte ich noch nach, ob wir jetzt weiterfahren könnten. Er wartete eine kleine Ewigkeit, bis wir nach Augenkontakt langsam anfuhren und ihn beobachteten, ob er einen seiner schweren Revolver zog. Nichts passierte bis zur nächsten Kurve. Da waren sie also, seine Gefolgsleute. Eine Gruppe Uniformierter, die uns erwartete. An diesen fuhr ich langsam vorbei, und lächelte durch die immer noch herunter gelassene Scheibe wie ein Politiker auf Wahlkampftour.

In den nächsten erlebnisreichen Stunden fuhren wir durch ein Gebiet, das die Einheimischen "Land der aufgestellten Speere" nannten, und damit die himmelhohen Basaltformationen meinten, vulkanischen Ursprungs, die das Land fantastisch erscheinen ließen. Bis jetzt begegneten wir keiner Menschenseele, kein Gefährt kam uns entgegen, und wenn wir die Tür an einem der Aussichtspunkte öffneten, öffneten wir auch weit unsere Münder, voller Erstaunen. Ein einziger gewaltiger Baum stand in einer Senke an einem Hang, ein einziger meilenweit. Ich war soeben dabei eine der vielen Kurven anzusteuern als ich ihn sah...

Der XXL Lastwagen kam uns aus dem Tal entgegen, hatte so weit wie möglich die linke Spur ausgenutzt, um nicht mit den Felsen der Gegenseite zu kollidieren, die hoch aufragten. Bisher sahen wir nur einzelne ausgebrannte LKW Gerippe im Tal, die es wohl nicht ganz geschafft hatten. Dieser quälte sich den Berg hoch, war mit schwerer Fracht gesegnet, die sich durch die leichte Neigung der Straße verschoben haben musste, und jetzt Kontakt mit der Felswand aufnahm. Durch die geöffnete Scheibe konnten wir Reißgeräusche hören, die von der Plane stammten. "Sollen wir da durch, wie viel Zeit haben wir?" "Fahr zu, fahr schnell, mach, mach!"

Mein Bekannter klang noch nervöser als ich es war. Ich war dabei, das kleine verbliebene Dreieck zu nutzen zwischen LKW Auflieger und Felswand, gab kurz Gas und atmete nur noch aus, als ich im Rückspiegel noch einen letzten Eindruck vom LKW mitnahm. Wir setzten die Fahrt fort in dem Bewusstsein, dass wir hätten Helfer sein können, oder tot. Starker Regen setzte ein, machte die Serpentinen rutschig bis hin zum Abend, als wir wieder vor unserem Hotel eintrafen. Im sintflutartigen Regen witzelten wir noch über unser trockenes Zimmer im elften Stock. Die Wahrheit sah anders aus. Wir hatte alle Flügelfenster aus Versehen offen stehen lassen, so dass der Vollparkettboden mit reichlich Wasser für eine große Überraschung sorgte. Diese eine noch, dann war der Tag vorüber.
Typ
Geschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Nein