Der Text
Die Schweißperle vergrößerte sich und wurde auf eine gewisse Art unstabil. Zuerst schwankte sie noch, zu welcher Seite sie laufen sollte, und da keine Bewegung vorhanden war, lag es am Punkt des geringsten Widerstandes, der noch überwunden werden musste, um den letzten Weg zurückzulegen.
Ihre Haut war sonnengebräunt, leicht eingeölt und duftete nach einer Mischung aus Mittelmeerküste und Insel, aus Urlaub und Entspannung. Der Abend zuvor war lang gewesen. Sie hatte mit verschiedenen Männern Blickkontakt aufgenommen, aber noch nicht den richtigen Funken gespürt, der sie entflammen konnte wie australisches Holz in den Outbacks. Einen allzu Frechen hatte sie weg geschickt, indem sie ihm sagte, dass sie in Trauer sei.
Der Tropfen funkelte jetzt in der hoch stehenden Sonne und begann ganz langsam nach unten zu wandern, zum unteren Teil ihres Bikinis. Ein dreieckig gehäkeltes Stückchen Baumwolle, durch das sich ein paar ihrer Schamhaare nach außen wanden ließ, um dann in einer weiteren Masche zu verschwinden. Umschlungener Stoff, der nicht so schnell wieder gehen sollte. Ihre langen Beine arbeiteten nach einem ähnlichen Prinzip. Was sie einmal in Besitz genommen hatten, ließen sie erst viel später wieder los, wenn das Opfer schon nicht mehr unter den Lebenden weilte. Wer das war und wann das war, bestimmte ausschließlich sie. Sie wusste über die Macht, die sie besaß.
Ihre Augen verschlossen, konnte sie die Perle nicht sehen als sie sich, eine feuchte Bahn hinterlassend, nach unten fortbewegte.
Aber spüren.
Sie wollte nicht, dass sie in ihr Höschen lief, und hob, wie in Zeitlupe ihren Po etwas an, was die Perle zum Stand brachte. Das leichte Kribbeln stoppte eben da, wo sie selbst die Grenze zog für Jeden, den sie zu sich ließ. Eine unsichtbare Schranke aus strengstem Berührungsverbot, wenn sie geschlossen war, aber auch eine Schranke, die sie fallen ließ, wenn sie sich mit ihrem Gegenüber in den Zug setzte, um über die Schwellen schnell und schneller einem unbekannten Ziel entgegen zu rauschen.
In diesen Momenten hatte niemand Zugang zu ihr. Nicht einmal in ihren Gedanken ließ sie einem Zweiten den Hauch einer Chance. Sie befand sich gemeinsam mit dem Eindringling auf einem Beutezug, der in ihrer Fantasie nicht groß genug ausfallen konnte. Sie öffnete ihren Mund weit und ließ ihre Arme in Erwartung wie ein Engel weit ausgestreckt. Sie bewegte sich nach einem seit Urzeiten eingepflanzten Rhythmus, ähnlich dem des Meeres.
Das Anheben ließ die Perle ein Stück zurück in Richtung Bauchnabel laufen, doch dann folgte die Bewegung des Nachgebens und damit die Gefahr, dass es keinen Punkt der Umkehr gab. Danach wäre es Seelennahrung, Sättigung für täglich erfahrene Vernachlässigung, wäre Genugtuung für zurückgehaltene Lust, und es würde trotz der Schienen des Verbotenen, die aus Eisen waren, verschwinden.
Ihre Schienen waren aus einem anderen Stoff.
Sie hatte jetzt ihre Bewegung so gesteuert, dass die Perle eine Chance hatte in ihr zu verschwinden. Sie ließ sich und damit ihren Körper frei. Bewusst hatte sie etwas übertrieben und ihr Becken weit zurück gebogen.
Die Perle wurde zuletzt gesehen, als sie unter den Baumwollfäden verschwand in einem Filmstreifen, der aus Träumen gemacht war, die so selten wahr wurden, weil die Akteure einem Regisseur gehorchen mussten, der Drehbüchern aus der realen Welt gehorchte und selten, zu selten von seinem Konzept abweichen durfte.
Unter der Dusche liefen tausende von Perlen über einen gebräunten Körper, und wussten nichts von allen Wünschen, denn sie waren nur aus Wasser.