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Titel
Die toten Hosen von Mallorca
Der Text
Der Dorfpolizist alter Schule gehört längst der Vergangenheit an. Heute sorgt das Auge des Gesetzes grundsätzlich mehräugig für law and order. Die potentielle Zielgruppe zieht morgens zwischen 11 Uhr und später wie eine Karawane zum Strand. Es sind meist junge Männer aus Deutschland, Fußball- oder Kegelclubs, aber auch Gruppen von Frauen. In Marschformation und mit roten Augen vom Vortag schleppt man Luftmatratzen, Kühlboxen und Verstärker zum Ort des Geschehens. Hier in Cala Ratjada, das dem Ballermann mehr und mehr Konkurrenz zu machen scheint.

Schon zuvor ist Lagebesprechung bei der uniformierten Guardia Civil. Nach meiner persönlichen Beobachtung sind die Polizisten gut vorbereitet und kennen ihre Pflichten. Zu ihrer Ausbildung gehören das Orten einer fallenden Stecknadel in den Sand aus 200 m Entfernung gegen den Wind, und Udo Jürgens beim griechischen Wein. Das Gehör eines spanischen Strandwächters ist ähnlich ausgeprägt wie das eines Nashorns, seine Aktionen beim Einschreiten ebenso.

Mittlerweile haben sich diverse Männerrunden gefunden, die, halb im Wasser stehend, mit Hilfe von Bierdosen ihr Gleichgewichtsorgan testen. Von den Kumpels im Sand schallt schon die erste Salve Helene Fischer herüber. Die Boxen aus der Strandbar, (staatlich), haben keine Chance mit Flamencogeklacker. Zusammen mit der Meeresbrandung ergibt alles eine Melange der Geräusche, in die nur noch die Stimme einer Dame passt, welche Kokosnüsse, Melonen und Ananas aus der Schiebkarre anpreist.Melonaaaas, Ananaaaa- Kokooooooo! Eher schweigend stelzen Nordafrikaner mit undurchsichtigen Brillen zwischen den Handtüchern und bieten Selfikrallen, Uhren und alberne Kühe in Puppenformat an.

Den meisten Akteuren dieser Szene wird der Pfahl entgangen sein, der zu Beginn des Strandes Symbole trägt, die in ROT durchstrichen sind. Dazu gehören Musikinstrumente, Hunde und Mopeds. Wahrscheinlich auch Uhrenträger vom Handgelenk bis zum Oberarm und zwei Jahren Garantie. Nur hat man für diese noch kein Symbol gefunden.

Es nähert sich zur Mittagszeit eine Zweierformation Uniformierter....

Auf dem Weg zu Helene Fischer treffen sie aufMassaaaas, Massaaaas, einer Thai, die am Strand versucht mit ihrer Hände Arbeit sich über Wasser zu halten. Der Griff in ihre Palmöltasche ist erfolgreich. Unter ihren entsetzten Augen kippt die Polizei Fläschchen für Fläschchen in den Müllbehälter und fragt, ob sie aus Malaysia oder Bangkok ist. Die Antwort ist ihnen egal, die Tageseinnahme begrenzt.

Aus den Verstärkern der Kegeltruppe tönt es: Mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss!Stimmt nicht. Passiert jetzt schon vorher. Wer die Abspielgeräte der ganzen Welt kennt weiß, wo sich der Aus Schalter befindet und der Schieber fürs Batteriefach. Mit international bekannten Handzeichen wird aufgeklärt und dem Verstärker die Power genommen. Der schaurige Gesang verebbt. Irgendwie ist Sand im Getriebe. Nun folgt die Truppe den zwei Polizisten bis zu jenem Pfahl, der so achtlos am Parkplatz stand und immer noch steht. Ein geschlagener Trupp von Halbrittern schaut ungläubig auf den Mast. Ach so, keine Musik?

Vielleicht haben die Komponisten des LiedesAn Tagen wie diesen noch nicht mal über ihren Gründungsnamen besonders nachgedacht. Und doch trifft er den Kern der Sache. Die toten Hosen!
Typ
lustig
Autor
Burkhard Jysch