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Titel
Am Strand
Der Text
Wer den Exerzierschritt eines englischen Wachoffiziers in Erinnerung hat, dem ist das kurze Verhalten vor dem Aufsetzen der Hacke noch gut in Erinnerung. So in etwa muss man es sich vorstellen, wenn sich eine Bedienung nach Kontaktaufnahme dem Tisch nähert, um die Wünsche des Gastes aufzunehmen. Bei der Hitze ist es verwunderlich, dass sie überhaupt noch die Loipe hält, anstatt vor dem Tresen bis zu den Knöcheln im Sand zu versinken.

Wir bestellen "two beer chang large"! Die einheimische Hopfenkaltschale XL.
"beer chang?"
Immer wird nachgefragt, um ja das Richtige zu bringen.
"Large?"
"Yess, please, large!"
Glücklich ist der, der es dann irgendwann bekommt. Man ist im Urlaub, man hat Zeit. Eine Mango braucht Zeit zum Reifen, und der Hopfen fällt auch nicht so mal eben ins Glas.
Nach einiger Zeit kommt sie mit zwei Flaschen Bier. Eine große und eine kleine. Na geht doch - fast

Zeigt man auf einen Fisch auf der Karte, kann es sein, dass er Gräte heißt. Viele Fische haben sich so entwickelt, dass sie aus 98 Prozent Gräten bestehen, was ihnen 100 Prozent Überleben zusichern würde, gäbe es nicht den Touristen, der trotzdem den Fisch haben möchte.

Während des Wartens gibt es genügend Zeit sich den Strand einmal genauer anzusehen. Verkäufer wandern ihn unablässig entlang, schwingen ihre bunten Seidenbetttücher im Wind, andere haben eine Tafel mit Kettenschmuck, Silberfein und ausgerissenen Tigerzähnen (angeblich echt). Bei der Anzahl Verkäufer mit Tigerzähnen im Angebot dürfte die Angst vor der Raubkatze der Vergangenheit angehören, denn sie würde nur noch zahnlos und auf der Felge kauen. Geschleppt wird eine breite Palette von "No thank you Ware", doch ab und an kommt ein Geschäft zustande. An Bambus aufgehängten Körben tragen kleine aber kräftige Thais Maiskolben, Ananas, Kokosnüsse, Mangos, halbe Hähnchen und einen kompletten Grill mit sich, der vor sich hinschwelt unter geschlossener Teerdecke. Der Uhrenverkäufer kommt ebenso oft vorbei wie die Massagetante, die für einen akzeptablen Preis des Touristen Körper in Wohlbehagen verwandelt.

Mein Blick fällt auf eine Reklametafel. "Wir sprechen Deutsch!" steht da Schwarz auf Weiß. Ein Inder bietet seine Schneiderkünste an. Ich lese:

eine Sakko
eine Hose
eine Hemd
eine Anzug
eine Roke
eine overe Teile
eine Kiyed

Preise daneben. Nun mag man raten was man erhält, wenn man sich eine Roke schneidern lässt als Mann oder gar eine Kiyed. Der freundliche Inder, der das Studium der Tafel bemerkt kommt herbeigeeilt. Zur Konversation sei gesagt, dass der Asiate das "R" durch ein "L" ersetzt, doch andere Buchstaben so lässt wie sie sind. Dafür kann er die Finger nach oben biegen wie Uri Geller die Gabel. Es beginnt mit einem:

"Hello!"
Ich auch:
"Hello!"
"We make evelything fol you, good plice!"

Nun ist ein Anzug nicht gerade das, was ich in der Mittagshitze am Strand tragen möchte, und ich versuche das Gespräch zu verlagern.

"I come tomorrow and buy one Roke for me.
Er bleibt höflich, doch es dämmert ihm das verlorene Geschäft. Er setzt noch einmal nach:
"You buy fol lady home?"

Ich stelle mir das Unternehmen vor, wie ich mit einer maßgeschneiderten Roke für die lady at home Punkte sammeln kann. Minuspunkte.

Ich beende das Gespräch mit einem Lächeln, das ich den Einheimischen abgesehen habe und mitnehmen werde.
Das bei aller Angebotsdrängelei Auffällige ist dennoch die Aggressionsfreiheit. Da habe ich schon andere Länder erlebt, mit bösen Worten nach nicht zustande gekommenen Geschäften.

Das beer chang schmeckt köstlich, und der Abend kann kommen. Was ich noch nicht weiß ist es einer, der im Monsun versinken wird 3 km entfernt vom Bungalow und Meilen vom Sommer.
Typ
Geschichte
Autor
Burkhard Jysch