Der Text
Wer die Anzahl der Regenschirme in unserem Haus in Augenschein nimmt, kommt auf eine Zahl unter zehn aber über acht. Es sagt eine Menge aus über das Wetter. Wer kauft sich schon Regenschirme in größerer Zahl? Im kommenden Herbst steuert der Westen auf noch so manchen Schauer zu, und wird zu den vorhandenen noch weitere kommen lassen. Es ist eine Glaubensfrage. Kommt es so, wie die Wetter App ankündigt, oder so wie es kam, um sich immer dann mit einem neuen Schirm einzudecken, der nur kurz gebraucht wurde? Am Anfang stolzt man trockenen Fußes in die Stadt, kommt an einem Geschäft mit Regenschirmen vorbei, und es beginnt der starke Schauer, als hätte Rossmann den neunten Arm des Oktopus in Gang gesetzt. Das aber nur, wenn wir keinen Schirm dabei haben von denen, die daheim Wache schieben.
Es wäre mir ja völlig egal nass zu werden, wird schon wieder trocken irgendwann, habe nur Erfahrungen mit Erkältungskrankheiten, die mich dienstunfähig machen bei ganz normalem Schnupfen. Mein Gesicht quillt auf, die Augen treten aus den Höhlen, und die Nase ist Tag und Nacht damit beschäftigt das Flüssige los zu werden. Kein Mittel hilft. Besondere Tage sind die ersten fünf im Urlaub. Mit dem Schnupfen verliert man den Geschmack, den Appetit und muss sich erklären lassen, wie schön die Bucht doch aussieht im Sonnenschein. Ich nehme mir einen Trick daheim vor, um das Schicksal zu prüfen. Noch vor dem ersten Tropfen nehme ich zwei Schirme mit, lasse einen beim Friseur, da nur noch einer von meinen vorhanden, und stelle fest, dass es den ganzen Tag nicht regnet.
Oder den Fehlkauf im Miniformat. Durch Knopfdruck springt er in Alarmstellung. Später am Tag löst sich zuerst eine Speiche, dann bekommen die anderen was mit, und stellen ebenfalls ihre Arbeit ein und melden sich krank. Es sieht einfach nur peinlich aus, wenn man damit Leuten entgegen kommt.
Der erste Regenschirm wird mit Tierfellen bespannt gewesen sein, Fuchs oder Biber, Bär oder Hamster. Ein Konstrukt aus Weidenrute mit einem starken Ast zum Festhalten. Wie das Ganze noch einem Schauer roch ist den Menschen damals egal gewesen, Hauptsache der Lendenschurz aus Leder wurde nicht nass. An der Blase sich etwas zu holen ist noch schlimmer als ein Schnupfen. Die damalige Lebenserwartung war sowieso kürzer. Das ging ja schon bei der Beschaffung der Felle los. Welcher Bär ist einsichtig, wenn man ihm das Fell über die Ohren ziehen will?
Heute, am Freitag im frühen Herbst, hält sich das Wetter prächtig. Bis auf den kurzen Moment beim Nachbarn. Zwischen den beiden Haustüren liegen nur 10 Meter. Immerhin zu viel, um trocken zu bleiben. Aber beruhigend, dass da noch genug Schirme zur Auswahl stehen. Für den nächsten Besuch.