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Titel
Abhandlung über den Schnee
Der Text
Einfach glücklich machender Schnee ist da, wo er nicht schadet. Auf Bildern zum Beispiel, auf denen man selbst abgelichtet ist v o r der Abfahrt auf Skiern. Im Katalog, um sich auf den Winterurlaub zu freuen, oder beim Nachbarn, dem faulen Hund, der Schnee schippen muss. Unglücklich macht er, wenn die Geschwindigkeit des Autos mal Bremsweg geteilt durch 4 Sommerreifen, und den aufmerksamen Blick einer Polizeistreife dazu führt, dass er eben unglücklich macht. Im Wort Auffahrunfall steckt so viel Leid, das man auf den Schnee schieben kann. Entschuldigungen wie diese: "Aber gestern war hier noch alles trocken, oder, versteh ich gar nicht, habe doch neue Bremsen", nutzen gar nichts. Oft führt auch ein leichtes Kratzen an der Windschutzscheibe vor der Abfahrt zu Ärgernissen. Es genügt eben nicht, wenn man zwei Handteller große Gucklöcher freirubbelt und den Rest als Gefriertruhe nutzt. Kostet einen Zehner, für die Gemeindekasse.

Frau Holle zum Beispiel käme ohne Schnee gar nicht aus. Man stelle sich die alte Dame vor, wie sie das Laken schüttelt ohne Inhalt. Ein Schneemann benötigt ihn pappig, die Loipe sollte nicht sulzig sein, und die Stadtverwaltung freut sich, wenn sie endlich die Lager vom Streusalz frei bekommt. Kein Hund, und schon gar keine Katze mag Schnee, außer dem Schlittenhund. Ohne Schnee ist ein Schlittenhund wie eine gewählte Partei. Am Anfang der Fahrt wird angeschirrt, dann wird Sand von allen Seiten gestreut. Der Chef sitzt dabei ganz vorne und muss sich immer umdrehen, um zu sehen wer aus dem Ruder läuft. Anstatt hinten im Sulky die Bande zu beobachten.

Wenn man aber den Schnee so nimmt wie er fällt. In Ruhe lässt, anstatt ihn an den Straßenrändern wieder versucht zusammen zu pressen, dann ist Schnee die friedlichste Gemeinheit der Welt. Ich habe mir angewöhnt ihn einfach zu ignorieren. Soll er doch fallen und liegen bleiben. Soll er doch sich was einbilden auf seine weiße Weste. Sie wird schmutzig, (siehe den Absatz mit den Parteien).

Vorhersagen über den kommenden Winter legen schon mal eine Eiszeit nahe. Der Vorbote der Erderwärmung. Mammuts werden wieder günstige Lebensbedingungen haben, Männer mit behaarter Brust ein Muss für jedes Weibchen sein, will sie nicht anfrieren.
Während die Eisberge schmelzen und Eisbären an ihrem knurrendem Magen schon von weitem zu hören sind, verlagert sich Tief Annette etwas südlich und bringt reichlich von dem Zeug, von dem nur die Bahn nicht redet. Vielleicht haben wir ja endlich mal weiße Weihnacht, wo die komplette Verwandtschaft eingeschneit auf ihren Paketen sitzen bleibt und der Puter ganz allein gegessen werden kann. Das ist dann wieder ein Grund sich über Schnee zu freuen.

Also her mit dem Zeug.
Typ
Geschichte
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Ja