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Titel
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Der Text
Die kleine Wohnung war neu. Sie hatte nicht einmal Platz für eine Waschmaschine. Fast zufällig entdeckte ich in der Nähe einen Waschsalon. Nicht zufällig fiel mein Blick auf den größer werdenden Haufen an gebrauchter Wäsche, der sich ganz langsam zur Seite neigte, wohl wegen der Schwerkraft. Bisher hatte ich immer eigene Waschmaschinen zu Zweit geteilt, und ein Besuch in einem solchen Salon war mir erspart geblieben.

Ich klemmte mir an einem sonnigen Morgen also den Korb mit der Wäsche unter den Arm, und stand kurze Zeit später in einem hellen und geräuschvollen Raum. Vor meinen Augen drehten sich zahlreiche große Trommeln, blinkten diverse Lichter in allen Farben, und saßen mehrheitlich Frauen wartend auf kleinen Bänken. Eine stand hinter einem Holztresen mit einem Arbeitskittel bekleidet. Ihre Augen waren auf den jungen Mann gerichtet, der jetzt den Laden betrat, und sie sogleich ansprach:

" Wann kann ich das Zeugs gebügelt abholen"?! sprach´s aus mir heraus. Einige legten ihre Zeitungen beiseite und wurden neugierig auf die Antwort der etwas überraschten Dame hinterm Holz. Ihre zischende Replik, dass es sich hier um ein Selbstwaschsalon handeln würde, erinnerte mich an den Ton, der in einer Großküche herrscht, wo gerade der verbrannte Teil eines Gerichts geborgen wird. "Oh, Entschuldigung, dann will ich mal sehen, wie das hier so funktioniert...." (kleinlaut aber wahr).

Von diesem Moment an war ich Opfer sämtlicher Frauenaugen und interessanter als die "Bunte". Sie verfolgten mit, wie ich nach Kleingeld suchte und wenig fand, wie ich schwarze Strümpfe von ehemals weißen Unterhosen trennte, die einzelne rote Socke aus der Nähe des teuren Wollpullovers brachte. Mir war schon klar, dass ich nichts falsch machen durfte. Farbe war Voraussetzung für strahlendes Weiß, Temperatur für Wolle, eher niedrig bis gar nicht. Ich warf also die ersten Silberlinge in den Schlitz und war so nervös, dass ich auf Start drückte, ohne auch nur ein einziges Teil in der Trommel untergebracht zu haben.....

"Sie können auf Not Aus drücken", kam von einer der Holzbänke, im Unterton etwas belustigt. Ich gehorchte mit einem Druck auf den größeren roten Knopf an der Seite. Die Trommel rührte sich jetzt nicht mehr, die Tür ging aber auch nicht auf. "Sie müssen jetzt warten, weil sie noch ein paar Minuten blockiert", kam von der Bank gegenüber. Sollte ich jetzt weitermachen, oder doch lieber alles einpacken, um hier nicht den Deppen zu spielen? Ich entschloss mich in die Offensive zu gehen, und die bittere Wahrheit mit den Worten zu beginnen: "Heute erstmals hier, kann passieren, brauche noch etwas Erfahrung mit dem ganzen Kram hier!"

In der Runde breitete sich ein Gefühl mütterlichen Verständnisses aus. Inzwischen drehte sich die 60 Grad Wäsche um sich selbst, einige Frauen waren fertig und gingen, ein paar neue kamen hinzu. Alles was sie taten beobachtete ich mit äußerster Aufmerksamkeit. Ich hielt mich hinter einer Morgenzeitung auf und lugte ab und an über den Rand, wobei ich feststellte, dass ein gewisses Interesse bestand an dem, was jetzt noch alles bei mir schief gehen könnte. Wenn ich je ein ungutes Gefühl hatte zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, dann war es in jenen Minuten zwischen sich drehenden Trommeln und unausgesprochenen Worten.

Endlich war die Prozedur vorbei, drei grüne Lämpchen zeigten mir an, dass die rote Socke zwischen den weißen Sachen ganze Arbeit geleistet hatte. Im Frühjahr soll ja sowieso Pink in sein....
Typ
lustig
Autor
Burkhard Jysch
Veröffentlichung erlaubt
Ja