Der Text
Wenn ich etwas verließ, wie zum Beispiel das geliebte Elternhaus, das ich für Monate, später Jahre, mit Kasernen eintauschte, drehte ich mich gewöhnlich nicht um. Wollte nicht die eingefassten Bilder ersetzen, die längst gerahmt ihren Platz in meinem Gedächtnis einnahmen. Nicht ersetzen durch eine Tür, die ins Schloss fallen würde, wenn die winkenden zwei Personen, die meine Eltern waren, wieder zurück gingen. Ich zwang mich dazu weiter zu gehen. Auf das Auto zu, aus dem ich noch einmal die Hand hob, als ob sie es sehen könnten.
Sicher, ich kam oft zurück, und doch war ich in dem Moment nicht mehr Zuhause. Ich wurde zu Besuch, was ein Unterschied ist. Innerhalb des Hauses blieben Spuren von mir. Der alte Schreibtisch, dessen linke Tür immer klemmte, schaffte es über die Zeit sich zu behaupten. Er war zu nützlich geworden und gleichzeitig nicht wert ihn zu ersetzen. In seinen Fächern lagen Schriftstücke, die irgendetwas mit mir zu tun hatten. Die Geburtsurkunde, oder ein Bon, den ich vergaß zu entsorgen. Der Holzlöffel in rot und lackiert. Das einzige Mitbringsel meines Vaters aus Novosibirsk, von wo er es irgendwie aus dem Zwangslager geschafft hatte nach Hause zu kommen.
Manchmal taten sie weh, die Abschiede. Einer davon vollzog sich am frühen Morgen, an dem kurz nach Sonnenaufgang das Boot am Strand von Boracay/Philippinen anlegte, und ich die paar Meter durchs Wasser lief, um mein Gepäck unterzubringen. Durch den immer warmen feinen Sand, durchs immer warme Wasser. Sehr zur Überraschung waren sie alle wach aus dem kleinen Dorf, und folgten mit den großen schwarzen Augen ohne große Gesten. Ausnahmsweise wandte ich mich um, nachdem das Auslegerboot schon etwas raus war. Und während die kleinen dunkelhäutigen Figuren auf Mensch-ärgere-dich-nicht-Größe geschrumpft waren, liefen mir ein paar Tränen voraus, die salzig schmeckten.
Es sei noch erwähnt, dass ich in meinem Reisegepäck eine Boxershort in XL Größe aus Versehen mitnahm, als ich nach Bali/Indonesien flog. Um sie nicht wieder heim zu schleppen, schenkte ich sie dem "Kurzen", der die Wochen nur ein einziges T-Shirt trug, und aus der fürsorglichen Familie stammte, bei der wir die Hütte gemietet hatten. Er hörte immer gut zu, wenn wir uns unterhielten, und fand, dass unsere Sprache außerordentlich interessant war. Über das Geschenk war er so glücklich, dass er sie am Morgen des Abschieds trug. Da in ihr noch zwei weitere Familienmitglieder Platz gefunden hätten, fiel sie ihm beim Winken mit beiden Armen von der schmalen Hüfte, was ihn nicht störte. Bei diesem Abschied war ich froh, mich doch noch einmal umgedreht zu haben...