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Titel
Abschied ist anders
Der Text
Meist begegnete ich Fremden, wenn sie Abschied nahmen. An Flughäfen, Bahnhöfen, Hafenanlagen, in Hotelfoyes oder einfach so, wenn es nach Abschied aussah. Abschied nimmt man, man gibt ihn nicht. Jeder nimmt von Jedem Abschied. Und so wird immer etwas genommen, von den Beteiligten wird etwas genommen. Der Reisende empfindet Abschied etwas anders, als der daheim Bleibende. Dieser schaut dem Flugzeug nach, während jener aus dem Fenster in eine neue Welt schaut. Eine Welt über den Wolken.

Abschied erleichtert, wenn die Zukunft sonniger scheint als die Gegenwart oder Vergangenheit. Alles ändert sich jedoch, wenn es ein Abschied für immer ist. Einer mit Unumkehrbarkeit, einer ohne Zurück, ohne Wenn und Aber. Wie allein man sein kann und verzweifelt, erlebt jeder für sich. Wenn aus der Unvorstellbarkeit Gewissheit wird.

Abschied ist anders.

Wenn ein Hund noch monatelang zu gewohnter Zeit zum Bahnhof läuft, an dem sein Herr um eine bestimmte Zeit ausstieg, um mit ihm den Weg nach Hause anzutreten. Wenn der Herr gestorben, und der Hund dennoch unbeirrt den Weg macht, um allein nach gewisser Zeit nach Hause zu laufen, dann hat er nicht begriffen, oder will nicht begreifen. Er ist kein Mensch, von dem man erwarten kann, dass er begreift und sein Verhalten "anpasst". Wenn aber das Puzzleteil des Lebens abhanden gekommen ist, unter den Tisch der Zeit gefallen, wo es nie wieder zu finden sein wird, bleibt dann nicht trotzdem so etwas wie eine Suche nach Schuld, nach dem großen Warum?

Es bleibt.

"Das Schicksal diskutiert nicht oder verhandelt, es begnügt sich damit, zuzuschlagen."

Gelesen noch vor wenigen Tagen, als die tragischen Ereignisse nicht einmal denkbar waren.
Typ
Weisheit
Autor
Burkhard Jysch